XXI. Verteilungsverhältnisse der Empfindung.

    Dasselbe Quantum Lichtes kann sich auf wenige Punkte der Netzhaut konzentrieren oder über eine größere Fläche derselben verteilen, kann sich gleichförmig oder ungleichförmig verteilen, und es lassen sich aus unseren bisher entwickelten Formeln manche nicht uninteressante Resultate über die hierbei obwaltenden Verhältnisse ziehen, welche einer Verallgemeinerung auch auf andere Gebiete fähig sind; übrigens teilweise nur unter anderen Formen auf Resultate zurückführen, zu denen uns schon die Betrachtung der Werte  im 19. Kapitel geführt hat.

    In soweit es sich um die Gesichtsempfindung handelt, werden dabei die Voraussetzungen gemacht, 1) daß die größere oder geringere Anzahl der vom Lichte getroffenen Netzhautpunkte und mithin auch Größe einer erleuchteten Fläche derselben keinen Einfluß auf die Intensität der Empfindung, welche uns jeder einzelne Punkt erweckt, äußere; 2) daß die Netzhautpunkte, auf welche die Verbreitung statt hat, gleiche Empfindlichkeit besitzen.

    Beide Annahmen sind zweifellos nicht streng richtig, oder nicht in Strenge zu verwirklichen, können aber in vielen Fällen als approximativ richtig gelten, und sind jedenfalls als die einfachsten Annahmen zuerst zu behandeln.

    Was die erste Annahme anlangt, so kann man zum Beweise, daß die Größe einer Fläche auf ihre Sichtbarkeit Einfluß hat, anführen, daß kleine Lichtflächen in einer Entfernung für das Auge verschwinden, wo größere von gleicher photometrischer Intensität noch gesehen wer-den; doch ist noch nicht hinreichend entschieden, wie weit die für kleine, dem Auge eben entschwindende, Lichtflächen mehr in Betracht kommende Zerstreuung des Lichtes durch Irradiation Schuld an dem Unterschiede sei, worüber eingehendere Erörterungen im 11. Kapitel des vorigen Teiles zu finden sind. Man kann ferner darauf hinweisen, daß nach E. H. Weber’s Erfahrungen warmes Wasser bei Eintauchen der ganzen Hand wärmer als bei Eintauchen eines Fingers erscheint, was anzudeuten scheint, daß die Intensität der Empfindung durch Vermehrung der Zahl der empfindenden Punkte wächst. Inzwischen kann man bemerken, daß der Temperaturunterschied zwischen der in warmes Wasser eingetauchten Fläche und dem übrigen Körper durch die ausgleichende Blutströmung vermindert werden muß, mehr und schneller aber bei einer kleinen als bei einer großen eingetauchten Fläche, wie ein Glas warmes Wasser unter denselben äußeren abkühlenden Einflüssen leichter erkaltet als ein Faß; und es ist die Frage, wie viel etwa hieran hängen kann, bis jetzt wenigstens noch nicht diskutiert und erledigt. Wie es sich aber auch hiermit bezüglich der Wärmeempfindung der Haut verhalte, so ist gewiß, daß diese Erfahrung auf das Gesicht keine Anwendung leidet, da im Gegenteile Weiß durch Nachbarschaft von Weiß (nach Kontrastgesetzen) eher an Helligkeit verliert als gewinnt. Inzwischen wird auch dies keineswegs unter allen Umständen bemerklich, und im Allgemeinen wird man keinen irgendwie entschiedenen Unterschied der Helligkeit zwischen größeren und kleineren Stücken weißen Papieres zu entdecken vermögen, sei es, daß man sie neben oder nach einander mit dem Zentralteile der Netzhaut auffasse. Eine bestimmtere Angabe hierüber liegt von Steinheil nach Messung mit seinem Prismenphotometer vor, welche besonderes Zutrauen verdient, da es diesem genauen Beobachter daran gelegen war, sich zu vergewissern , welche Umstände von Einfluß auf die photometrische Schätzung sind 1). Hiernach "hat die Größe und Lage der Lichtflächen gegen einander keinen entschiedenen Einfluß auf das Urteil über gleiche Intensität"; eben so wenig die Entfernung, in der man sich die Lichtfläche denkt, und auf die man demgemäß das Auge accommodiert, eben so wenig ein Hin- und Herschwanken des Auges. Dies dürfte die Behauptung rechtfertigen, daß man die erste Annahme mindestens in vielen Fällen als approximativ richtig ansehen könne; wenn schon ich selbst sie nicht als streng richtig betrachte.

        1) Elemente der Helligkeitsmessungen in den Abh. d. Münch. Akad. l837. S. 110.
 

    Was die zweite Voraussetzung anlangt, so kann sie insofern nicht als streng zu verwirklichend angesehen werden, als die Netzhautpunkte in verschiedenem Abstände vom Zentrum eine verschiedene Empfindlichkeit besitzen. Inzwischen für nicht zu große Ausdehnungen wird sie ebenfalls als approximativ zutreffend gelten können.

    Übrigens ist die Anwendung der folgenden Verteilungsformeln auf die Netzhaut nur ein Beispiel einer viel allgemeineren Anwendbarkeit derselben, worauf ich weiterhin komme.

    Sei nun der Reiz mit der Intensität b erst auf einem Punkte (diesen im Sinne von Kap. 20 verstanden) oder allgemeiner auf einer gewissen als Einheit gesetzten Zahl Punkte gleichförmig verbreitet, so wird unter Anwendung der Fundamentaleinheiten die von der Reizintensität abhängige Empfindungsstärke log b sein, und indem diese über der ganzen als Einheit zusammengefaßten Anzahl Punkte stattfindet, wird sie mit der Stärke zugleich die Summe oder das Quantum der Empfindung vor der Verteilung ausdrücken.

Wenn sich nun der Reiz von der einfachen Zahl Punkte auf die n-fache Zahl verteilt, so kommt auf jeden einzelnen Punkt statt b bloß noch , und die Intensität der Empfindung wird für diesen Punkt log . Da aber diese Intensität sich auf der n-fachen Zahl von Punkten wiederholt, so erhalten wir für das Gesamtquantum G der Empfindung den Ausdruck

G = n log = n (log b- log n)

und als Verhältnis des verteilten zu dem ursprünglichen Empfindungsquantum

.

Dies Verhältnis weicht im Allgemeinen von der Einheit ab, wonach man sieht, daß durch die Verteilung eines Reizes auf eine andere Zahl Punkte sich das Empfindungsquantum im Allgemeinen ändert.

    Nun fragt sich, nimmt das Empfindungsquantum ab oder zu durch die Verteilung? Die Antwort ist: je nach den Fällen.

    Wenn wir einen stark konzentrierten Reiz auf die doppelte Zahl Punkte verteilen, verdoppelt sich merklich das Empfindungsquantum, und wächst überhaupt bei nicht zu starker Verteilung eines starken Reizes merklich im Verhältnisse der Verteilung; bei zu weit getriebener Verteilung aber nimmt es wieder ab, und immer läßt sich die Verteilung so weit treiben, daß es unmerklich wird.

    In der Tat, setzen wir b sehr groß, und n nicht zu groß, so können wir log n merklich gegen log b vernachlässigen; dann wird G das n-fache von g. Lassen wir aber n immer mehr wachsen, so wird endlich log n = log b , womit die Empfindung Null wird, und wächst n noch weiter, so sinkt G gar ins Negative, das ist Unbewußte.

    Den Fall einer Vergrößerung der Empfindungssumme durch die Verteilung eines starken Reizes können wir uns an einem recht hellen Sterne erläutern. Wenn ein Stern photometrisch recht hell ist, macht es für die Empfindung wenig Unterschied, ob man sein Licht verdoppelt oder halbiert. Denn seine Empfindung log bgeht dadurch in log 2b oder logüber; für Ersteres kann man schreiben log b + log 2, für Letzteres log b - log 2; ist aber b groß, so ist log 2 gegen log b zu vernachlässigen. Daher auch die große Schwierigkeit, starke photometrische Intensitäten genau photometrisch zu vergleichen, da der Vergleich doch nur mittelst der Empfindung geschehen kann. Denken wir uns nun einen so hellen Stern, daß er für die Empfindung in keinem erheblichen Verhältnisse sich verdunkelt, wenn man sein Licht halbiert, und das weggenommene Licht zur Herstellung eines anderen Sternes verwendet, so werden wir jetzt zwei Sterne mit merklich gleicher Helligkeit als den ersten sehen, und also durch Verteilung auf zwei Punkte die Summe empfundener Helligkeit merklich verdoppelt sehen.

    Daß durch zunehmende Verteilung des Reizes die Empfindung endlich Null und darüber hinaus negativ werden muß, folgt natürlich daraus, daß der Reiz durch die wachsende Verteilung endlich auf den Schwellenwert und darüber hinaus unter denselben kommen muß. Nach der Verteilungsformel tritt der Nullwert der verteilten Empfindung G dann ein, wenn log n = log b . In der Tat entspricht dies dem Punkte, wo der ursprüngliche Reiz b auf den Schwellenwert 1 herabgekommen ist. Im Falle der Lichtempfindung läßt sich dieser Fall nicht an der absoluten Lichtempfindung nachweisen, weil das Augenschwarz immer über der Schwelle bleibt, und sich nicht verteilen läßt, sondern nur an der Differenz der äußerlich erweckten Lichtempfindung von dem Augenschwarz; außerdem aber findet man wirklich überall, daß ein Reiz nur hinreichend verteilt zu werden braucht, um für die Empfindung unmerklich zu werden.

    Wenn durch Verteilung eines starken Reizes das Empfindungsquantum bis zu gewissen Grenzen zunimmt, darüber hinaus abnimmt, so muß es ein Verteilungsverhältnis n geben, was wir N nennen wollen, wo es das größtmögliche ist. Dieses Verteilungsverhältnis findet sich nach bekannter Regel durch Differenzierung des Wertes G bezüglich n und Nullsetzung des Differenzzieles. So erhält man

wo e gleich der Grundzahl der natürlichen Logarithmen.

    Diese Formel sagt uns zuvörderst, daß das günstigste Verteilungsverhältnis der Intensität des Reizes b proportional ist. Ist also eine gegebene Anzahl Punkte mit gegebener Intensität gereizt, so wird bei doppelter Intensität die Verteilung auf die doppelte Zahl Punkte geschehen müssen, um das größtmögliche Quantum Empfindung zu erzeugen.

    Sie sagt uns zweitens, daß die Zahl, welche das günstigste Verteilungsverhältnis ausdrückt, gefunden wird, wenn der Fundamentalwert, welchen der Reiz vor der Verteilung hat 2), mit der Grundzahl der natürlichen Logarithmen e = 2,71828 . . . dividiert oder mit 0,36788 ... multipliziert wird. Mag der Reiz stark oder schwach sein, immer wird man hierdurch die vorteilhafteste Verteilung erhalten. Sie sagt uns drittens, daß, je nachdem das Verhältnis des Reizes zu seinem Schwellenwerte größer oder kleiner als 2,71828 . . . ist, der Reiz sich auf mehr Punkte ausbreiten oder auf weniger konzentrieren muß, um das vorteilhafteste Verteilungsverhältnis zu erzielen; denn erstenfalls fällt N größer aus als l, letztenfalls kleiner.

        2) Da  b = 1 gesetzt ist, drückt b hier überall Fundamentalwerte aus.
 
 

Zwischen beiden Fällen liegt der Fall, wo b gerade = e, d. i., wo eben das günstigste Verteilungsverhältnis schon besteht.

    Nun liegt beim Werte b = e der Kardinalwert des Reizes und der Empfindung, wo das relative Maximum der Empfindung zum Reize stattfindet; und so finden wir hier das früher (Kap. 19) gefundene Resultat nur auf etwas anderem Wege wieder, daß der Reiz am vorteilhaftesten für Erzeugung der größtmöglichen Empfindung wirkt, wenn er mit der Intensität des Kardinalwertes wirkt. Hat er gerade diese Intensität, so ist er weder zu konzentrieren, noch zu verteilen, um das größtmögliche Empfindungsquantum zu geben.

Das größtmögliche Quantum selbst, was bei dem Verteilungswerte N = stattfindet, erhalten wir, indem wir diesen Wert für n in den Ausdruck für G = n log  substituieren. So findet sich als Maximum von G

d.i.

0,15996 b
unter Anwendung gemeiner Logarithmen, oder
0,36788 b
unter Anwendung natürlicher Logarithmen, welche Werte deshalb von einander abweichen, weil sich unsere, zum Fundamentalwerte angenommene, Empfindungseinheit, und hiermit auch die Maßzahl der Empfindung, nach dem logarithmischen Systeme ändert.

    Auch sind vorstehende Ausdrücke, um ihnen einen bestimmten Wert unterzulegen, auf die zu Grunde gelegte Einheit des Empfindungsquantum zu beziehen, welche stattfindet, wenn für alle als Einheit zusammengefaßte Punkte vor der Verteilung die Fundamentaleinheit der Empfindung besteht.

    Welches Verhältnis nun auch der Reiz vor der Verteilung zu seinem Schwellenwerte habe, so wird nach vorteilhaftester Verteilung das Gesamtquantum Empfindung das 0,15996 b -fache dieser Einheit sein, wenn man die Empfindungseinheit bei dem 10fachen der Reizschwelle setzte, hingegen das 0,36788 b -fache, wenn man sie bei dem 2,71828 ... fachen der Reizschwelle setzte.

    Indem vor der Verteilung das Gesamtquantum der Empfindung den Ausdruck log b hatte, haben wir in

oder 

den Ausdruck für das Verhältnis zwischen dem Quantum der Empfindung nach günstigster Verteilung und vor der Verteilung des Reizes, wo die Logarithmen in einem beliebigen Systeme genommen werden können, ohne daß der Wert verschieden ausfällt, da das Verhältnis der Logarithmen gegebener Zahlen in allen logarithmischen Systemen dasselbe ist.

    Die Formel  für das Maximum des Empfindungsquantum, wozu wir oben gelangt sind, ist aus mehreren Gesichtspunkten von Interesse. Der Reiz b tritt hier aus dem logarithmischen Verhältnisse heraus, und die Empfindung wird demselben einfach proportional, da log e und e Konstanten sind. Hiernach ist man prinzipiell im Stande, das Gesamtquantum der Empfindung der dazu verwandten Reizgröße wirklich ganz proportional steigen zu lassen, wenn man nur den Reiz fortgehends so verteilt, daß immer das Maximum der Empfindung dadurch gewonnen wird.

    Wendet man natürliche Logarithmen an, womit log e = 1 wird, so erhält das Empfindungsmaximum denselben Ausdruck  als die Verteilungszahl N, bei der dieses Maximum eintritt.

    Je nachdem b größer oder kleiner als e, ist unter derselben Voraussetzung das Maximum das Empfindungsquantum, was sich mit gegebenem b erreichen läßt, größer oder kleiner als die Einheit des Empfindungsquantum, und für b = e dieser Einheit gerade gleich.

    Unter und über dem vorteilhaftesten Verteilungsgrade müssen sich zwei Verteilungsgrade entsprechen, welche ein gleiches Empfindungsquantum geben.

    Gehen wir von irgend einem Verteilungsgrade als ursprünglichen aus, in dem das Empfindungsquantum log b ,so ist es nach der Verteilung auf die n-fache Zahl Punkte n log , und für den Fall, daß beide Verteilungen ein gleiches Empfindungsquantum geben sollen

log b = n log 

zu setzen, aus welcher Gleichung n zu bestimmen ist, um damit das Verhältnis zu haben, in dem sich der Reiz von der ersten Verteilung zur zweiten weiter zu verteilen hat. Nach einigen analytischen Operationen mit Rücksicht auf die Eigenschaften der Logarithmen und Potenzen führt dies schließlich zu

eine Formel, welche unsere Aufgabe insofern löst, als sie gestattet, für jedes Verteilungsverhältnis n, was das bei der ursprünglichen Verteilung 1 stattfindende Empfindungsquantum wieder herstellt, den zugehörigen Reizwert b (im Verhältnisse zu seinem Schwellenwerte verstanden) zu berechnen, und mit der früher (Kap. 19) gefundenen übereinkommt. Setzt man z. B. n = 2, so ist b = 4; d.h. wenn ein Reiz, dessen Intensität das Vierfache seines Schwellenwertes beträgt, sich auf die doppelte Zahl Punkte verteilt, so findet dasselbe Empfindungsquantum als ohne Verteilung statt, welches aber beidesfalls kleiner ist, als das Maximum des Empfindungsquantum. Indem nun 1 bei hohem n merklich gegen n verschwindet, vereinfacht sich für diesen Fall die Formel zu folgender Approximativformel

n = b

welche sagt: ein Reiz muß, um nach starker Verteilung dasselbe Empfindungsquantum als ohne Verteilung zu geben, in einem Verhältnisse verteilt werden, welches seinem Verhältnisse zum Schwellenwerte nahe kommt, d. h. selbst fast bis zum Schwellenwerte herabkommen, wobei die große Zahl der gereizten Punkte die Schwächung der Intensität kompensiert.

    Die Herleitung der allgemeinen Formel  aus der Gleichung log b = n log  ist diese :

    Zunächst läßt sich letztere Gleichung in

umwandeln, woraus folgt

nn = b- 1

.

    Obwohl wir bis jetzt keine Mittel besitzen, die vorigen Maximumbestimmungen durch direkte Erfahrung zu bewähren, so hängen sie doch notwendig mit ihren Voraussetzungen zusammen, und lassen sich gleich gültig als sie ansehen. Nun bietet sich eine Frage von Interesse dar. Ist die Lichtempfindung, die unabhängig vom äußeren Lichtreize normalerweise im Auge besteht, die Empfindung des Augenschwarz, unter oder über der vorteilhaftes möglichen. Der nähere Sinn der Frage ist dieser:

    Wodurch auch die Empfindung des Schwarz in uns erregt wird, insofern sie nach den früheren Erörterungen noch als eine vom Nichtssehen wohl zu unterscheidende geringe Lichtempfindung anzusehen, können wir auch in jener inneren Ursache das Äquivalent eines äußeren Lichtreizes sehen, welcher im Stande gewesen sein würde, dieselbe schwache Lichtempfindung zu erzeugen. Nun würde ein solcher bei gegebener Größe das Maximum der Empfindung erzeugt haben, wenn er so verteilt gewesen, daß seine Intensität gleich dem 2,71828 ... fachen seines Schwellenwertes, und damit würde eine gewisse Intensität der Lichtempfindung entstehen. Es fragt sich dann, ist das Schwarz im Auge heller oder dunkler als diese vorteilhafteste Intensität? — Oder auch, wenn wir unmittelbar auf die psychophysische Tätigkeit reflektieren, an welcher die innere Lichtempfindung hängt, würde die Summe derselben wachsen oder abnehmen, wenn diese Tätigkeit sich mehr verteilte oder konzentrierte?

    Obwohl wir hierüber nicht sicher entscheiden können, so scheint mir doch das Zusammentreffen zweier Gesichtspunkte eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu begründen, daß das tiefste Schwarz des Auges gerade der vorteilhaftesten Intensität entspricht, so daß bei jeder inneren Erhellung desselben — und in der Tat kann sich das Schwarz durch innere wie durch äußere Ursachen erhellen — ein Verlust insofern entsteht, als die psychophysische Tätigkeit, welche diese Erhellung bewirkt, durch größere Verteilung eine größere Summe von Empfindung erzeugt haben würde, bei jedem Herabgehen unter das tiefste Schwarz aber nicht minder ein Verlust entsteht, indem die Gesichtsempfindung dann überhaupt sich dem Erlöschen nähern würde, eine Annäherung, die wir an den Grenzen des Gesichtsfeldes im geschlossenen Auge wirklich beobachten.

    Zuvörderst nämlich muß die Frage jedenfalls aufgeworfen werden, was geschehen würde, wenn sich die Ursache des inneren Lichtes dem Schwellenwerte noch mehr nähern sollte, als es beim tiefsten Schwarz des Auges, was vorkommt, der Fall. Unmöglich kann das Schwarz sich bis zum Schwellenwerte weiter vertiefen, weil hier die Gesichtsempfindung vielmehr aufhört, wogegen ein vertieftes Schwarz immer noch Gesichtsempfindung ist. Es muß also einen Wendepunkt oberhalb der Schwelle geben, von wo an das Schwarz in Undeutlichkeit überzugehen anfängt, und man wüßte nicht, woran man diesen Wendepunkt knüpfen sollte, wenn es nicht unsere Maximumintensität ist, von der ab ein Verlust in anderem Sinne als oberhalb erlitten wird. Empfinden wir doch in gewissem Sinne das tiefste Schwarz wirklich als ein Maximum.

    Sollten nicht übrigens die blassen, farblosen Bilder und Schemata, die unseren gewöhnlichen Vorstellungslauf begleiten, und von denen wir doch nicht sagen können, daß sie schwarz erscheinen, jenem Intervalle zwischen der Schwelle und dem Maximumpunkte angehören?

    Zum vorigen tritt folgender Gesichtspunkt:

    Wir finden sonst allgemein die Einrichtungen so in unserem Organismus getroffen, daß mit möglichst wenig Aufwand von Kraft und Mitteln möglichst große Leistungen vollzogen werden. Sollte nun wirklich das Schwarz des von Außen ungereizten Auges jenem Maximumwerte entsprechen, so wäre der Fall damit verwirklicht, daß mit möglichst wenig Aufwand inneren Reizes oder äquivalenter lebendiger Kraft der psychophysischen Tätigkeit doch eine möglichst große Empfindungssumme erzeugt würde.

    Natürlich bleibt dies Alles für jetzt doch nur Hypothese. Sollte sie aber triftig sein, so würden wir, — und dies ist ein neuer Gesichtspunkt von Interesse, der wohl veranlassen kann, dem Gegenstande weiter nachzuforschen — im tiefsten Schwarz, was in unserem Auge besteht, zugleich die natürliche Fundamentaleinheit der Lichtempfindung repräsentiert finden, auf die wir früher aus rein mathematischem Gesichtspunkte geführt wurden. Außerdem könnten wir das Paradoxon aussprechen, daß das schwärzeste Nachtdunkel die größtmögliche Helligkeit gewährt, die größtmögliche nämlich, die sich mit demselben Quantum Lichtreizes erreichen läßt.

    Ferner kann man bemerken, daß unter dieser Voraussetzung die schwächsten Lichtempfindungen und Lichterregungen, welche das Augenschwarz übersteigen, einander merklich proportional gehen würden, da um den Kardinalwert der Empfindung diese Proportionalität nach Früherem stattfindet.

    Ähnliche Verhältnisse, als in Betreff der Verteilung des Reizes durch den Raum müssen auch in Betreff der Verteilung desselben durch die Zeit stattfinden, und es ist nach einer ganz analogen Herleitung dieselbe Formel maßgebend dafür. Man wird weder das größte Empfindungsquantum erlangen, wenn man einen Reiz zu konzentriert auf einmal, noch wenn man ihn in zu großer Verdünnung allmälig einwirken läßt. Sondern das Maximum wird er leisten, wenn er mit der 2,718 ... fachen Stärke seines Schwellenwertes wirkt. Hiermit ist nicht gesagt, daß er immer in derselben Intensität wirken müsse, falls der Zustand der Reizempfänglichkeit des Organismus, von welchem der Schwellenwert des Reizes selbst wesentlich abhängt, sich ändern sollte, vielmehr, nach Maßgabe als die Reizempfänglichkeit sich abstumpft und hiermit das b der Maßformel steigt, wird auch der Reiz steigen müssen, um noch das Maximum von Empfindung zu erzeugen.

    Dieselben Prinzipien werden in folgenden Fällen zur Anwendung kommen.

    Jeder weiß, daß ein Genußmittel, welches es auch sei, gar zu verteilt nach Raum und Zeit, sei es zwischen verschiedenen Menschen, sei es in demselben Menschen, im Ganzen keinen erheblichen Genuß gewährt, nicht minder aber auch, daß es nicht dienlich ist, ein Genußmittel auf einen Menschen oder eine Zeit zu sehr zu häufen. Unsere Formel enthält das Prinzip des rechten Maßes, wenn schon eine wirkliche Rechnung danach nicht irgendwie ausführbar sein möchte, und bei einer solchen auch die schnellere Abstumpfung der Reizbarkeit durch gehäuften Reiz mit in Rechnung zu nehmen wäre.

    Soll Geld oder Gut, was als Erregungsmittel einer Summe wertvoller Empfindungen zu betrachten ist, verteilt werden, so liegt zuvörderst in dem durch unsere Formeln dargestellten Prinzipe begründet, daß man das Meiste mit dieser fortune physique für die fortune morale leistet, wenn man es den Ärmsten zuerteilt, aber weder eine zu große Zerteilung, noch eine zu große Konzentrierung wird dabei das Vorteilhafteste sein. Der Güterbesitz, wo der Mensch eben notdürftig auskommt, möchte als der Schwellenwert des Besitzes bei Formeln, die man auf diesen Fall anwenden wollte, zu betrachten sein.

    Lassen wir in unserer Verteilungsformel n einen Bruchwert bedeuten, so gilt sie für den Fall, daß ein Reiz statt in dem Verhältnisse n verteilt zu werden, vielmehr in diesem Verhältnisse konzentriert wird.

    Hieraus läßt sich ein interessantes Resultat ziehen. Gesetzt ein Reiz konzentriert sich immer mehr auf einen Raum- oder Zeitpunkt, so ist die Grenze ein unendliches Konzentrationsverhältnis; dann wird n und die Verteilungsformel gibt G log ¥ = 0. Bekanntlich nämlich läßt die mathematische Analyse den Ausdruck  log ¥ = 0 finden.

    Dieses Resultat läßt sich nicht rein in der Erfahrung herstellen, weil jeder Reiz, selbst wenn er unmittelbar nur einen einfachen Punkt trifft oder zu treffen scheint, doch in einer gewissen Ausdehnung um sich wirkt, irradiiert, so wie mit einer gewissen Nachdauer wirkt, nachklingt, so daß selbst das Punktbild des Sterns strahlig oder als kleiner Kreis erscheint, die Berührung einer Nadelspitze durch Fortpflanzung des Druckes in einem gewissen Umkreise empfunden wird, der momentane Blitz sein Nachbild im Auge, jeder Knall seinen Nachhall im Ohre hinterläßt. Doch kann man die allein mögliche Annäherung an das Resultat darin finden, daß z. B. jeder es vorziehen wird, einen Zahn mit einem Rucke, als mehr langsam ausziehen zu lassen, und jeder instinktiv den schnellsten Tod durch das gewaltsamste Mittel einer langsamen Tötung vorzieht.

    Das Bisherige betraf die aus der Maßformel folgende Abhängigkeit des Empfindungsquantum von der Verteilungsgröße, wobei eine gleichförmige Verteilung des Reizes vorausgesetzt wurde; eine andere Folgerung der Maßformel betrifft die Abhängigkeit von der Verteilungsweise des Reizes. Diese Folgerung beruht darin, daß die Gesamtgröße der Empfindung ein Maximum wird für möglichst gleichförmige Verteilung des Reizes.

    Zunächst erinnere ich an folgenden Satz:

    Wenn eine Summe von n Zahlen a, b, c .... = S gegeben ist, so ist das Produkt der Zahlen das größtmögliche, wenn alle Zahlen a, b, c .... einander und mithin dem Mittelwerte  gleich sind.

    Z. B. die Summe S sei 12, und der Zahlen seien 3, so wird das Maximumprodukt erhalten durch 4 . 4 . 4 = 64. Das Produkt 6 . 4 . 2 würde nur 48, das Produkt 7 . 4 . 1 nur 28 geben u. s. f. Dieser Satz gilt auch für Brüche. Wenn z. B. die Zahl 1 in 3 Brüche geteilt wird; so geben 1/3. 1/3 . 1/3 das Maximum.

    Fügen wir nun noch die Erinnerung hinzu, daß die Summe der Logarithmen gegebener Zahlen gleich dem Logarithmus ihres Produktes ist und die Zahlen mit den Logarithmen wachsen und abnehmen, so wird die folgende Ableitung keine Schwierigkeit mehr darbieten.

    Gesetzt man hat n empfindende Punkte, welche respektiv mit den Intensitäten b, b ', b "... gereizt sind, deren Summe S ist, so wird folgendes die Gesamtsumme der Empfindung sein

log b+ log b' + log b" ...= log bb' b "...     Das Maximum des Produktes bb 'b "... wird nach obigem Satze erhalten, wenn b = b ' = b " . . ., und hiermit also auch das Maximum von log b b 'b "..., und hiermit das Maximum des Gesamtquantum der Empfindung.

    Wenn alle Punkte einer gereizten Fläche sich oberhalb der Schwelle befinden, so unterliegt die Anwendung des vorigen Satzes keiner Schwierigkeit. Wenn aber ein Reiz, der durch gleichförmige Verteilung über eine große Fläche oder durch eine lange Zeit unter die Schwelle treten und also keine bewußte Empfindung geben würde, durch Konzentration auf einzelne Punkte dieser Fläche oder Zeit über die Schwelle tritt, so gibt er trotz seiner jetzt ungleichförmigen Verteilung eine bewußte Empfindung, was dem vorigen Satze zu widersprechen scheint.

    Diese Schwierigkeit hebt sich durch folgende Betrachtung:

Wenn unter vorigen Voraussetzungen durch die ungleichförmige Verteilung ein positives bewußtes Empfindungsquantum für gewisse Punkte entsteht, so wächst von anderer Seite die Vertiefung des Unbewußtseins durch Entziehung des Reizes um so mehr für die übrigen Punkte, welche Vertiefung für die Gesamtheit derselben ihr mathematisches Maß in einem negativen Empfindungsquantum findet, und der Überschuß dieses negativen Empfindungsquantum über das positive übersteigt bei der ungleichförmigen Verteilung das vorausgesetzte negative Empfindungsquantum bei der gleichförmigen. So bleibt die mathematische Richtigkeit des Satzes in Kraft, der nur auf dieses mathematische Verhältnis oder die algebraische Summe bewußter und unbewußter Empfindung geht. Insofern es aber gilt, bewußte und unbewußte Empfindung besonders in das Auge zu fassen, kann er keine Anwendung finden, das Maximum bewußter Empfindung besonders zu bestimmen. Vielmehr zeigt sich, daß es von Vorteil sein kann, einen Reiz in der Art ungleichförmig zu verteilen, daß gewisse Punkte über die Schwelle treten auf Kosten anderer, die dadurch um so tiefer unter die Schwelle sinken.

    Fragt man nun, was das Vorteilhafteste ist, um das größtmögliche Quantum positiver bewußter Empfindung zu erlangen, ohne Rücksicht auf das Quantum negativer unbewußter Empfindung, was dadurch von der anderen Seite entsteht, so wird man auf die schon gegebenen Bestimmungen zurückgeführt und es wird am vorteilhaftesten sein, wenn die Verteilungsgröße und Verteilungsweise über eine unbestimmt große Fläche oder Zeit frei steht, so viel von dieser Fläche oder Zeit unter die Schwelle treten zu lassen, daß der Teil, der sich oberhalb der Schwelle befindet, mit dem 2,71828 ... fachen seines Schwellenwertes und möglichst gleichförmig über seine ganze Oberfläche gereizt ist.

    Im Übrigen ist vorgreiflich zu erinnern, was alsbald seine weitere Ausführung finden wird, daß die Seele außer von Summen auch von Unterschieden der Empfindung affiziert wird, und daß die Empfindung der Unterschiede nicht als etwas in der Summenwirkung Aufgehendes, sondern als etwas Hinzutretendes anzusehen ist; also auch die ganze Empfindungsleistung differenter Reize nicht auf ihre Summenwirkung zurückführbar ist. Aber diese Summenwirkung ist ein Teil oder eine Seite der ganzen Leistung, und die Klarheit fordert, ein Moment derselben nach dem anderen insbesondere in Betracht zu ziehen, insofern es einer abgesonderten Betrachtung fähig ist.