XXV. Anwendung der Unterschiedsmaßformel auf die Schätzung der Sterngrößen.1)

    Die nachfolgende Anwendung der Unterschiedsmaßformel kann als Beispiel der allgemeineren Anwendbarkeit, welche dieser Formel überhaupt in einfachsten Fällen zukommt, dienen.

1) Revision S. 160 ff.
 
 
    Der Kürze halber nennen wir hier Helligkeit das Maß der Lichtempfindung, Intensität das Maß des physischen Lichtreizes, der die Helligkeit bewirkt, und nehmen die Helligkeitsunterschiede stets als besonders aufgefaßte, deren Maß durch die Unterschiedsmaßformel bestimmt wird.

    Es sei p die Intensität des Teiles vom Himmelsgrunde, auf dem ein Stern erscheint, ohne Stern, i die dazu tretende Intensität des Sternes, so daß b = p + i die Intensität des Sternes plus des Grundes ist, v die Verhältniskonstante, w die Unterschiedskonstante (vgl. Th. I. S. 244). Wir nennen i die eigene, b = p + i die gesamte,  die verhältnismäßige Intensität des Sternes.

    Hiernach wird die Unterschiedshelligkeit D des Sternes gegen den Grund, wodurch sich derselbe vom Grunde abhebt, bestimmt durch

Die letzte Form ergibt sich mit Rücksicht, daß v wenig von 1 abweicht, demnach für log v gesetzt werden kann Mw , wo M der Modulus des logarithmischen Systems.

    Die Intensität des Grundes p setzt sich aus zwei Teilen zusammen, einem als merklich konstant anzusehenden Teile a, welcher durch die Intensität des Augenschwarz repräsentiert wird, und einem variabeln Teile z, welcher vom äußeren Lichte, insbesondere dem zerstreuten Lichte der Gestirne abhängt.

    Durch Substitution von a + z für p geht dann die Formel über in

    Diese Formel mit den daraus ableitbaren Formeln hat besonders insofern Interesse, als sie unter folgender Rücksicht auf die Größe der Sterne bezogen werden kann.

    Nach der gewöhnlichen Reihungsweise der Sterngrößen läßt man die Nummern derselben aufsteigen, während die Intensitäten absteigen, was jedoch die Auffassung der Beziehung zwischen Größe und Intensität erschwert. Lassen wir demnach im Folgenden die Größen mit den Intensitäten aufsteigen, und nehmen den Nullwert der Größe an, wo ein Stern sich ununterscheidbar im Grunde verliert, so fällt die Größe des Sternes mit seiner Unterschiedshelligkeit D vom Grunde zusammen, und wir können die obige Formel unmittelbar als den allgemeinen Ausdruck für die funktionelle Beziehung zwischen Sterngrößen und Intensitäten ansehen, wobei uns noch freisteht, die Einheiten der Sterngrößen und Intensitäten so zu wählen, daß sich die Formel möglichst vereinfacht, worauf unten einzugehen. So führt die vorige Formel zu folgenden Folgerungen.

    1) Die Größe des Sternes hängt nicht bloß von der eigenen Intensität des Sternes ab, sondern ist wesentlich mit abhängig von der Intensität des Grundes p = a + z, und nimmt bei gegebener eigener Intensität um so mehr ab, je mehr die Intensität des Grundes wächst, wie denn die intensivsten Sterne am Tageshimmel verschwinden, d. h. keine merkliche Helligkeitsdifferenz vom Grunde zeigen. Insofern ist es zweckmäßig, wahre und scheinbare Größe zu unterscheiden; indem wir unter wahrer Größe die Helligkeitsdifferenz von irgend einem normal festgesetzten Grunde, unter scheinbarer Größe die von irgend einem anderen Grunde verstehen, welche zur allgemeinen Vergleichbarkeit erst auf die Helligkeitsdifferenz vom wahren Grunde zurückgeführt werden muß.

    Als Normalintensität des Grundes soll hier das möglicherweise erreichbare Minimum, d. i. die Intensität a des Augenschwarz betrachtet werden. Ein vollkommen nachtdunkler Himmel wird sich dem nähern, und namentlich durch Fernröhre gesehen, wo sich die zum Augenschwarz zutretende Intensität z des zerstreuten Himmelslichtes nach Maßgabe der Vergrößerung schwächt, merklich damit zusammenfallen.

2) Wenn die eigene Intensität des Sternes so klein gegen die des Grundes ist, daß die höheren Potenzen von  gegen die erste zu vernachlässigen, mithin  nach Kap.15 = M gesetzt werden kann, so ist die Größe des Sternes merklich

d. h. proportional dem Überschusse der verhältnismäßigen Intensität des Sternes  über die Unterschiedskonstante w .

Ist i groß genug geworden, daß p dagegen zu vernachlässigen, so wird D = k log , und ist endlich i groß genug, daß auch log vp gegen log i zu vernachlässigen, so ist D = k log i.

Die beiden Formeln

und
                                                                       D = k log i

bestimmen die Grenzfälle der Abhängigkeit der Größe des Sternes von p und v. An der oberen Grenze wird die Größe unabhängig sowohl von der Intensität des Grundes als der relativen Unterschiedsempfindlichkeit, so daß Sterne von gleicher, nur hinreichend starker, eigener Intensität auf verschieden intensivem Grunde und bei verschiedenen Graden relativer Unterschiedsempfindlichkeit gleich groß erscheinen.

    3) Bei der teleskopischen Betrachtung kommt Folgendes in Rücksicht. Die eigene Intensität i eines Fixsternes wird bei hinreichender Öffnung des Oculars und, abgesehen von der Lichtverschluckung durch die Gläser, im Verhältnisse der Flächengröße des Objektivs zur Flächengröße der Pupille vergrößert. Allgemein sei F das Verhältnis, in welchem sie durch das Fernrohr verstärkt ist. Von der Intensität des Himmelsgrundes p = a + z bleibt der Teil a durch das Fernrohr unverändert, der Teil z nimmt nach Maßgabe der Flächenvergrößerung G, die das Fernrohr gewährt, an Intensität ab, indem nach Maßgabe, als ein Fleck des Himmels ein größeres Bild im Auge gibt, das Licht dieses Fleckes mehr verdünnt wird. Hiernach geht unter Anwendung des Fernrohres i in Fi und p in a + über, und wir erhalten, wenn Df die durch das Fernrohr gesehene Größe ist

wofür wir bei nicht zu unbedeutender Vergrößerung und finsterem Himmel setzen können

sofern dann z gegen aG zu vernachlässigen ist.

    Wird nun ein Stern von der eigenen Intensität i' mit dem Fernrohre und ein anderer mit der eigenen Intensität i ohne Fernrohr betrachtet, so erscheinen sie gleich groß, wenn

oder 

Bei sehr finsterem Himmel wird p nicht erheblich von a abweichen, wo dann gesetzt werden kann, wogegen, wenn der Himmel ohne Fernrohr so dämmerig ist, daß er z. B. die doppelte Intensität des Augenschwarz hat, man das Verhältnis  nach dieser Gleichung bloß halb so groß finden würde, als es wirklich ist.

    Wenn die Helligkeitsverstärkung durch das Fernrohr so groß ist, daß a gegen Fi vernachlässigt werden kann, so erhalten wir die Formel

wonach die Verstärkung durch ein gegebenes Fernrohr allen Sternen, schwachen und starken, einen gleichen Größenzuwachs k log F zufügt. Wäre umgekehrt die Verstärkung so schwach und i so klein, daß Fi gegen a verschwindet, so würde das Fernrohr nichts zur Verstärkung wirken, und wäre sie endlich so beschaffen, daß a und Fi ein in Betracht kommendes Verhältnis zu einander haben, so würde der Größenzuwachs durch dasselbe Fernrohr variabel sein.

    4) Nimmt man die einfache Differenz zweier Größen D, D', welche auf demselben Grunde p stehen, so verschwindet v, womit man aber nur auf die in der Empfindung aufgehende Unterschiedshelligkeit derselben zurückkommt. Um den besonders aufgefaßten oder empfundenen Unterschied derselben zu gewinnen, hat man nach direkter Anwendung der Unterschiedsmaßformel

worin jedoch v nicht denselben Wert haben dürfte, als wenn wir den Unterschied eines Sternes vom umgebenden Grunde in Betracht ziehen.

    Diese Formel zeigt, daß die Größendifferenz zweier Sterne nicht bloß von dem Verhältnisse ihrer eigenen Intensitäten, sondern ihrer Gesamtintensitäten, mithin mit von der Intensität des Grundes p abhängt; wonach bei vollkommen nachtdunklem Himmel zwei Sterne weniger in der eigenen Intensität zu differieren brauchen, als bei dämmerigem, um noch denselben Größenunterschied darzubieten. Die Verschiedenheit in dieser Hinsicht je nach Beschaffenheit des Grundes wird am stärksten bei den schwächsten, unmerklich bei sehr intensiven Sternen sein, so daß nicht bloß die absolute Größe der Intervalle zwischen den scheinbaren Größen, sondern auch die Verhältnisse dieser Intervalle sich je nach der Intensität des Grundes ändern.

    Der Ausdruck für den empfundenen Größenunterschied zweier Sterne bei Anwendung des Fernrohres ist

woraus hervorgeht, daß der Größenunterschied mit Fernrohr so lange mit abhängig ist von dem Verstärkungsfaktor F, als a nicht gegen Fi und Fi' vernachlässigt werden kann. Ist aber der Verstärkungsfaktor F hierzu groß genug, so hängt der Größenunterschied bloß noch von dem Verhältnisse  eben so wie bei starken Intensitäten ohne Fernrohr ab.

    5) Der arithmetischen Reihe der Sterngrößen gehört eine geometrische der Gesamtintensitäten der Sterne zu, sofern dem gleichen Unterschiede D - D' zwischen den aufeinanderfolgenden Gliedern der Größenreihe ein gleiches Verhältnis , der zugehörigen Intensitätenreihe entspricht. Sei der Exponent der Intensitätenreihe, welche der arithmetischen Sterngrößenreihe 0, 1, 2, 3 .... zugehört, E, so wird man, um von der Größe D = 0 zur Größe 1 überzugehen, die Intensität vp, bei welcher die Nullgröße angenommen wird, mit E zu multiplizieren haben, um die dazu gehörige Gesamtintensität b zu finden. Substituiert man nun in den allgemeinen Ausdruck

1 für D und Evp für b, so erhält man

1 = k log E

woraus sich ergibt, daß man für k substituieren kann  und mithin schreiben kann

    6) Die Reihe der eigenen Intensitäten i, welche einer arithmetischen Größenreihe D zugehört, ist keine streng geometrische, sondern es entsprechen sich:

D     = 0,             1,             2,              3,               4....         ...n         b = i + p     = vp         Evp         Ev ²p         Ev 3p          Ev 4p....     Ev n p           i      =(v-1)p    (Ev-1)p   (Ev 2-1)p    (Ev 3-1)p    (Ev 4-1)p... (Ev n-1)p  
 
Jedoch fällt von so großen Intensitäten an, daß 1 gegen Ev n vernachlässigt werden kann, die Reihe der eigenen und Gesamtintensitäten merklich zusammen, und es kann der Exponent E der letzten zugleich für den der ersten gelten.

    7) Die Einheit der Größe kann entweder als Fundamentaleinheit so bestimmt werden, daß k = 1 wird; oder so, daß dem seither angenommenen Größenintervalle entsprochen wird, mithin auch der Exponent der zugehörigen Reihe Gesamtintensitäten dadurch wiedergegeben wird, also bloß der Ausgang und die Richtung der bisherigen Größenfolge, nicht aber die Abstände der Größen von einander und Verhältnisse der zugehörigen Intensitäten sich ändern.

    Es ist nun äußerst merkwürdig, daß unter Anwendung natürlicher Logarithmen beide Bedingungen sich in Verbindung so nahe, daß man der Abweichung von wirklicher Genauigkeit nicht sicher sein kann, erfüllen.

In der Tat, nach der ersten Bedingung muß in dem Ausdrucke für die Größe

der Wert  bei der Größeneinheit der Grundzahl der angewandten Logarithmen gleich sein (vgl. Kap. 16), und diese Grundzahl zugleich der allgemeine Exponent der Reihe der Gesamtintensitäten sein, welche der Größenreihe mit der Differenz 1 zugehört, da sie der Exponent des ersten Verhältnisses dieser Intensitätenreihe bei D = 0 und D = 1 ist. Nun ist die Grundzahl der natürlichen Logarithmen = 2,71828.., und nach der Th. I. S. 161 gegebenen Zusammenstellung hat der Exponent der Intensitätenreihe, welche den heute angenommenen Größen zugehört, beinahe diesen Wert. Die Abweichungen der bisherigen Bestimmungen davon können an Punkten hängen, welche ich in einer Abhandlung in den Berichten der sächs. Soc. (1859. S. 58 ff.) näher besprochen habe.

    Um die Formel hiernach auch noch durch angemessene Wahl der Intensitäteneinheit möglichst zu vereinfachen, hat man als Intensitäteneinheit vp zu nehmen, welche, da v wenig von der Einheit abweicht, mit der Intensität des Himmelsgrundes p und, wenn man diese auf vollkommenes Nachtdunkel oder normales Augenschwarz reduziert denkt, mit a nahehin übereinkommt. Die somit möglichst vereinfachte Formel ist

                        D = log b = log (p + i) wonach die Zahl, welche die Größe eines Sternes mißt, dem Logarithmus der gesamten Intensität des Sternes gleich ist.

    Diese Formel entspricht der natürlichen Größenerscheinung, aber erscheint insofern unbequem, als wir nicht die Gesamtintensität p + i, sondern die eigene Intensität i messen und mithin kennen. Berücksichtigt man aber, daß bei den hellen Sternenklassen, etwa den 3 höchsten, p gegen i merklich vernachlässigt werden kann, und nicht nur die unsichtbaren, sondern auch schwächer sichtbaren Größenklassen teleskopisch betrachtet zu werden pflegen, wobei durch hinreichende Verstärkung der Sternintensität die Intensität des Grundes ebenfalls merklich zum Verschwinden gegen die eigene Intensität des Sternes gebracht werden kann, so wird man, wenn man prinzipiell die Größenbestimmung überall bei hinreichender natürlicher oder teleskopisch verstärkter Intensität vornimmt, daß die Intensität des Grundes nicht mehr merklich in Betracht kommt, die Formel D = log i mit D = log (p + i) merklich gleichbedeutend halten und zur Verknüpfung der Größen und Intensitäten allgemein verwenden können, nachdem man nur zuvor die teleskopisch bestimmten Intensitäten und Größen auf die nicht teleskopisch bestimmten reduziert hat, wozu der obige Ausdruck Df = k log  Anhalt gewährt. Setzen wir nämlich die Intensitätsverstärkung durch das Fernrohr stark genug, daß a gegen Fi und log va gegen log Fi zu vernachlässigen ist, und k = 1, so ist

                                            Df = log Fi = log i + log F also die teleskopische Intensität Fi im Verhältnisse von F zu reduzieren, um sie auf die wahre i herabzubringen, von der teleskopisch geschätzten Größe Df aber log F abzuziehen, um sie auf die zum wahren i zugehörige zu bringen.

    Auch hindert dann nichts, statt der im Verhältnisse der Verhältnisschwelle gesteigerten Intensität des Grundes vp die reine Intensität des schwarzen Himmelsgrundes oder normalen Augenschwarzes a als Einheit anzunehmen, bei welcher die Nullgröße statt hat. Da nun nach den Erörterungen (Kap. 21) die Intensität des Augenschwarz nicht unwahrscheinlich das e-fache des Schwellenwertes ist, und e zugleich der Exponent der Intensitätenreihe, so würde der Nullpunkt der Sterngrößen gerade um eine Größe höher als der absolute Nullpunkt der Lichtempfindung liegen, und könnte selbst, wenn man wollte, mit diesem zur Koinzidenz gebracht werden.

    Allerdings werden bei dem hier vorgeschlagenen Systeme die niederen Klassen der noch sichtbaren Sterne dann ohne Fernrohr für das freie Auge nicht mehr um gleiche Helligkeitsunterschiede differieren, wohl aber mit Fernrohr, was an sich praktischer erscheint, da sie für astronomische Zwecke gewöhnlich mit Fernrohr beobachtet werden.

    Unstreitig hat man die Bedingung, die Größenabstände so zu schätzen, daß nur die eigenen Intensitäten der Sterne maßgebend werden, was überall fordert, daß die Intensität des Grundes gegen die natürliche oder künstlich verstärkte eigene Intensität des Sternes verschwindend klein werde, bei den lichtschwächeren sichtbaren, und namentlich bei den kleinsten teleskopischen Sternen bisher nur unvollständig erfüllt, und ohne das Prinzip der Erfüllung klar vor Augen zu haben; auch liegt vielleicht für die Astronomie kein hinreichendes Interesse vor, auf mühselig genaue Bestimmungen in dieser Beziehung einzugehen. Indes erklären sich daraus wohl auch abgesehen von den Schwierigkeiten einer vergleichbaren Schätzung durch das Auge die Schwankungen in der Größenbestimmung der kleinen Sterne, die man bei Astronomen findet; und werden die Exponenten der Intensitätenreihe, welche aus den verschiedenen Untersuchungen fließen, auf eine gewisse Weise dadurch influiert und in der Genauigkeit benachteiligt sein. Ohne neue Untersuchungen mit Rücksicht auf vorstehende Prinzipien scheint mir dieser Gegenstand nicht ins Reine und Klare zu bringen, eine solche Untersuchung aber den Astronomen zu überlassen, falls sie Interesse genug für sie haben sollte.