XXXII. Die oszillatorischen Reize im Allgemeinen.
Versuch einer Elementarkonstruktion des Empfindungsmaßes.

a) Vorerörterungen.

    Die wichtigsten Sinnesreize, der Licht- und Schallreiz, sind oszillatorischer Natur, und wie sie auf Oszillationen ruhen, regen sie auch unstreitig oszillatorische Vorgänge in uns an, deren Amplitude und Periode mit der der äußeren Oszillationen in Beziehung steht. Dies gibt der Betrachtung dieser Art Reize eine besondere Wichtigkeit.

    Licht- und Schallreiz gelten als konstant, so lange die Schwingungszahl n oder damit reziproke Schwingungsdauer t und die Amplitude a der zu Grunde gelegten Schwingungen, mithin auch das Produkt n2 a2 oder , d. i. die lebendige Kraft der Schwingungen, durch welche wir die physische Intensität des Lichtes, Schalls, gemessen halten, konstant ist. Auch führen wir diese Reize nach den Erfahrungen, auf die sich unsere Formeln des psychischen Maßes stützen, als konstant in dieselben ein, so lange jene Konstanz von n und a besteht. Aber es fragt sich, ob die Werte n und a das Letzte sind, wohin wir zurückgehen können und zurückzugehen haben, um die fundamentale Abhängigkeit psychischer von physischen Werten darzustellen.

    Die Geschwindigkeit und demgemäß lebendige Kraft einer Schwingung ist nicht wirklich konstant während ihrer Dauer, sondern wächst von Null an den Grenzen der Oszillation bis zum Maximum beim Durchgange durch die Gleichgewichtslage. Eben so sind die Änderungen der Geschwindigkeit in aufeinander folgenden gleich großen Zeitteilen nicht gleich groß während der Dauer der Oszillation; sondern beim Durchgange durch die Gleichgewichtslage ist die Änderung der Geschwindigkeit momentan null, und ein Maximum an den Grenzen der Oszillation.

    Um auf das Elementare zurückzugehen, würden wir uns zu denken haben, daß jeder Moment der Schwingung seinen, nur nicht für sich besonders unterscheidbaren, elementaren Beitrag zur ganzen Empfindung gibt, und daß die daraus in endlicher Zeit hervorgehende endliche Empfindungsgröße als die Summe aller elementaren Beiträge zu repräsentieren sei; allgemeiner, daß die Quantität jeder Empfindung, deren Qualität an eine gewisse Bewegungsform geknüpft ist, nach einem allgemeinen Prinzipe durch Summation des Quantitativen zu finden sei, was die in diese Form eingehenden Bewegungsmomente dazu beitragen, gleichviel, welche Form die ganze Bewegung und Empfindung habe, wie das Volumen und Gewicht eines ganzen Hauses als Summe dessen, was alle einzelnen Steine dazu beitragen, bestimmt werden kann, ohne Rücksicht, welche Form das ganze Haus habe.

    Ob nun eine solche Auffassung triftig und nützlich sei, scheint mir a priori mit Sicherheit weder behauptet noch widerlegt werden zu können; sondern man muß es damit versuchen, sehen, was dabei herauskommt, und die Entscheidung an die beiden Punkte knüpfen, erstens, ob wir auch durch die proponierte Summation des Elementaren dieselbe Abhängigkeit der durch eine endliche Zeit sich erstreckenden ganzen Empfindung von der durch diese Zeit sich erstreckenden ganzen Bewegung wiederzufinden vermögen, welche die Erfahrung uns unmittelbar geboten hat, zweitens, ob wir damit zugleich etwas gewinnen, was wir nicht gewinnen, wenn wir bei den erfahrungsmäßigen Gesetzen und Tatsachen stehen bleiben, welche sich unmittelbar auf die Empfindungen und Bewegungen in endlicher Zeit beziehen, d. h. ob wir dadurch besser in den Tatsachen orientiert werden, mehr vom Zusammenhange derselben erfahren, eine Quelle neuer Ableitungen gewinnen; denn wäre es nicht der Fall, so würde der Rückgang auf das Elementare, statt etwas zu fördern, nur eine erschwerende Weitläufigkeit und ein nutzloses Ausholen von einem rückliegenden Punkte sein.

    Ungeachtet der noch großen Mangelhaftigkeit der folgenden Untersuchung läßt sich doch meines Erachtens Beides, an was die Statthaftigkeit und Nützlichkeit dieses Rückganges geknüpft wird, schon jetzt bejahen. Es zeigt sich, daß sehr wohl eine, und zwar ganz einfache, funktionelle Beziehung zwischen den elementaren Bestimmungen der Schwingung und elementaren Empfindungsbeiträgen aufstellbar ist, welche durch Summation zum Resultate der Erfahrung für die ganze Schwingung und eine ganze Folge von Schwingungen zurückführt, indem sich eben sowohl das Weber’sche Gesetz für Stärke als Höhe insbesondere, als die Kompensierbarkeit der Stärke durch Höhe und umgekehrt für die Wahrnehmbarkeit des Tones, als die fundamentale Bedeutung des Oktavenintervalls dadurch wiederfindet, worauf wir teils im 9., teils 30. Kapitel erfahrungsmäßig geführt worden sind, d. i. die Maßform log an oder log an2 (je nach der Wahl zwischen zwei Voraussetzungen, zwischen denen erst noch zu entscheiden ist) für die Abhängigkeit des Toneindruckes von Stärke oder Höhe, und die Form 2 p log 1/2 für die Bedeutung des Oktavenintervalls. Auch ist schon (Kap. 30) vorgreiflich in Kürze gezeigt worden, wie sich dies findet. Wenn aber eine unmittelbare Übereinstimmung der Rechnungsresultate mit der Erfahrung in dieser Hinsicht bloß bei Tönen, nicht bei Farben stattfindet, so ist dies kein Widerspruch gegen die Gültigkeit des Rechnungsprinzips, indem außer anderen im folgenden Kapitel zu besprechenden Gründen, welche dahin deuten, daß nur die Töne, nicht die Farben an so einfache Verhältnisse geknüpft sind, als hier der Rechnung unterzogen. werden, das verschiedene Verhältnis beider Empfindungen zu den Rechnungsresultaten selbst eine solche Deutung an sich sehr wohl gestattet.

    Nun aber werden wir nicht bloß durch diese Elementarkonstruktion zu erfahrungsmäßigen Resultaten zurückgeführt, sondern wir werden zugleich weiter dadurch geführt. Die Erfahrung sagt uns nichts über den Grund der Verknüpfung von Stärke, Höhe und periodischem Elemente in der Skala der Toneindrücke, und läßt uns bisher noch einigen Zweifel über ihre Verknüpfungsweise; unsere Elementarkonstruktion zeigt ihre gemeinsame Abhängigkeit von den Grundverhältnissen der Schwingung und fordert eine bestimmte Form ihrer Verknüpfung. Indem wir aber hier die Elementarkonstruktion von einer Seite befriedigend, von anderer Seite förderlich finden, erhalten wir damit zugleich ein Beispiel, daß sich überhaupt etwas mit ihr gewinnen lasse, und können danach erwarten, sie auch in Fällen, wo es sich nicht mehr um einfache Schwingungen oder Schwingungen überhaupt handelt, verwendbar zu finden, womit ein gemeinsames Band für alle psychophysischen Bewegungen hergestellt wäre. Denn wennschon wir in der äußeren Psychophysik uns zunächst nur an den Reiz halten können, wird doch das, was wir auf unsere jetzige Weise finden, in letzter Instanz auf die durch den Reiz ausgelöste psychophysische Bewegung zu beziehen sein, und selbst auf den äußeren Reiz nur insofern seine reine Anwendung finden, als entsprechende Verhältnisse für ihn und die dadurch ausgelöste Bewegung vorausgesetzt werden können.

    Unstreitig haben wir hier einen ähnlichen Fall, als in der Physik. So lange wir die Erscheinungen nicht aus dem Elementaren abzuleiten vermögen, behalten wir besondere Gesetze für besondere Erscheinungsgebiete; je weiter wir zum Elementaren zurückzugehen vermögen, um so mehr verknüpfen sich die besonderen Gesetze als besondere Fälle unter allgemeinen Gesetzen, welche den Erfolg für jedwede Kombination des Elementaren bestimmen.

    Inzwischen schlagen wir den bisher erlangten Erfolg doch nicht zu hoch an. Ich muß anerkennen, daß eine befriedigende Behandlung der Aufgabe bisher doch nur in sehr beschränkten Grenzen gelungen ist, und daß der Versuch einer allgemeineren Lösung derselben an Schwierigkeiten stößt, die zu ihrer Lösung tiefer gehende Untersuchungen fordern würden, als hier vorliegen, und als wozu, so viel ich es übersehen kann, die Mittel bisher vorliegen.

    Bevor ich nun auf das Detail der folgenden Untersuchung eingehe, wird Prinzip und Gang derselben im Allgemeinen darzulegen sein.

b) Allgemeiner Gang der Untersuchung.

    Erfahrungsmäßig ist die Höhe und Stärke des Tones und der hiervon abhängige Gesamteindruck, was wir Intensität nennen, eine Funktion der Amplitude und der Schwingungszahl oder Schwingungsdauer. Aber diese gelten, wie erinnert worden, für die ganzen Schwingungen. Wenn nun die Aufgabe gestellt wird, den Maßausdruck der Empfindung durch Summation dessen, was die einzelnen Momente der Schwingung beitragen, herzustellen, so müssen wir fragen, was sich in jedem einzelnen Momente der Schwingung ändert, wenn sich die Amplitude oder Schwingungszahl oder beides ändert; und müssen den elementaren Beitrag zur Empfindung hiervon abhängig machen. Sollten wir nun etwas in den einzelnen Momenten finden, was in direkter Proportion mit der Amplitude a und Schwingungszahl n oder einer Potenz dieser Werte steht, wovon die Empfindung nach einem und demselben Gesetze abhängt, so werden wir auch den elementaren Empfindungsbeitrag in derselben Weise davon abhängig zu machen haben, weil nur unter dieser Voraussetzung durch Summation der elementaren Empfindungsbeiträge das Resultat der Erfahrung für die ganze Empfindung wiedergefunden werden kann.

    An was wir hierbei denken können, ist die Geschwindigkeit erster Ordnung v oder die Geschwindigkeit zweiter Ordnung v, beide im Sinne folgender Einschaltung unterschieden, wovon nach den unter d) anzuführenden Formeln die erste bei gleichbleibender Form der Oszillationen für jeden durch eine bestimmte Phase der Schwingung bezeichneten Moment in einfachem Verhältnisse sowohl zu der Amplitude als Schwingungszahl steht, letztere in einfachem Verhältnisse zur Amplitude, im quadratischen zur Schwingungszahl.

    Unter Geschwindigkeit erster Ordnung oder Geschwindigkeit schlechthin, folgends immer mit v zu bezeichnen, verstehe ich den bekannten Verhältnisbegriff zwischen der Größe des Raumes, der in irgend einer Bewegung durchlaufen wird und der dazu gebrauchten Zeit, d. i. die Geschwindigkeit im gewöhnlichen Sinne, welche konstant heißt, wenn in gleicher Zeit, beliebig groß oder klein genommen, immer gleiche Räume durchlaufen werden, veränderlich, wenn es nicht der Fall ist, wovon Ersteres bei der gleichförmigen. Letzteres bei der ungleichförmigen Bewegung statt hat.

    Unter Geschwindigkeit zweiter Ordnung, folgends mit v zu bezeichnen, verstehe ich den Verhältnissbegriff zwischen der Änderung der Geschwindigkeit erster Ordnung im Sinne der Kraftrichtung und der Zeit, in welcher diese Änderung erfolgt, der das Maß der beschleunigenden Kraft im Sinne der Physik und Mechanik darstellt, und als konstant gilt, so lange die Geschwindigkeit im Sinne der Kraftrichtung beliebig groß oder klein genommen in gleicher Zeit um gleich viel wächst oder abnimmt, als veränderlich, sofern es nicht der Fall ist, wovon Ersteres in der gleichförmig beschleunigten oder verzögerten, Letzteres in der ungleichförmig beschleunigten oder verzögerten Bewegung stattfindet.

    Um keine Zweideutigkeit über das Verhältnis der hier gebrauchten Begriffe zu lassen, führe ich folgende Stelle aus Poisson’s Traité de Méc. T. I. p. XIII. (Table de Matières) oder p. 268 (des Textes) an: »Quelle que soit la Variation de vitesse d'un point matériel, en grandeur et en direction, pendant un temps inflniment petit, il y a toujours une certaine direction pour laquelle l'augmentation de vitesse est la plus grande, et perpendiculairement à laquelle les composantes de la vitesse ne sont augmentées n i diminuces. Cette direction est ce qu'on entend par la direction de la force qui agit sur un point matériel en mouvement; en partant de cette définition, on démontre que l'accroissement de la composante de la vitesse suivant une direction quelconque, pendant un instant, est uniquement du à la force qui agit suivant cette direction, et le même, que si les autres forces n'existaient pas.«

    Sollte die Änderung der Geschwindigkeit erster Ordnung schlechthin ohne Bezugnahme auf die in dieser Definition scharf erklärte Kraftrichtung in das Maß der beschleunigenden Kraft oder unsere Geschwindigkeit erster Ordnung eingehen, so würde diese bei der kreisförmigen Planetenbewegung oder kreisförmigen Schwingung Null zu setzen sein, da die Geschwindigkeit v hier absolut genommen konstant bleibt. Aber v ist nach unserer Identifizierung mit dem Maße der beschleunigenden Kraft hier nicht null, sondern konstant, indem der bewegliche Körper durch die Kraft nach dem Mittelpunkte der Bewegung in jedem Augenblicke so viel beschleunigt wird, daß die (von einer Zerlegung der Tangentialbewegung abhängige) Zentrifugalbewegung dadurch kompensiert wird, durch die er sich sonst vom Mittelpunkte der Bewegung entfernen würde.

    Es zeigt sich nun nach der folgenden Untersuchung, daß, mögen wir die Voraussetzung einer Abhängigkeit des Elementarbeitrages von v oder v zu Grunde legen, das Weber’sche Gesetz für die Abhängigkeit der Höhe wie Stärke der Empfindung von Schwingungszahl und Amplitude, so wie das periodische Element in der Tonskala gleicherweise wiedergefunden wird, so daß von hier aus nichts zu unterscheiden ist. Aber indes die Abhängigkeit von v zu einem Maßausdrucke der Intensität der Empfindung von der Form log an = log a + log n führt, führt die Abhängigkeit von v zu einem Maßausdrucke von der Form log an2 = log a + 2log n. Nun haben wir im 30. Kapitel den ersten Maßausdruck als den, wegen seiner größeren Einfachheit und einfacheren Abhängigkeit von der lebendigen Kraft wahrscheinlicheren, zu Grunde gelegt; und es soll dies auch hier geschehen, und demgemäß die erste Voraussetzung für das Folgende angenommen werden. Sollte dennoch die zweite Voraussetzung sich in der Folge triftiger erweisen, was unstreitig einmal, wenn nicht durch einfache Versuche, wie den (Kap. 30) proponierten, aber durch einen Zusammenhang von Erfahrungen entscheidbar sein wird 1), so würde der Gang der hier nach der ersten zu führenden Rechnung sich doch leicht auf die andere übertragen lassen, und es wird dies selbst schließlich hier für den ersten und wichtigsten der hier zu behandelnden Fälle geschehen.

1) Daß ich die im Kap. 16 vorgreiflich gefällte Entscheidung zurücknehme, habe ich schon im Kap. 30 bemerkt.
 
    Sei also F(v) die Funktion von v, welche die Abhängigkeit zwischen der psychischen Intensität und der Geschwindigkeit v in jedem Momente ausdrückt.

    Würde v während der Zeit t konstant bleiben, so würde auch F(v) und mithin die psychische Intensität während dieser Zeit konstant bleiben, und die Empfindungssumme während dieser Zeit durch F (v). t gegeben sein. Allein v und mithin F (v) ändert sich während einer Schwingung von Moment zu Moment und kann nur während eines unendlich kleinen Zeitelementes dt als gleichförmig bestehend angesehen werden, in welchem die unendlich kleine Zeitsumme oder der elementare Empfindungsbeitrag ist F (v). dt. Summieren wir nun diese der Größe nach veränderlichen Beiträge, die während einer ganzen Schwingung statt gehabt haben, indem wir v für jeden Moment der Schwingung mit seiner demgemäßen Größe, also als Funktion von t, zur Bestimmung des Empfindungsbeitrages F (v). dt anwenden, so erhalten wir die Zeitsumme der Empfindung während der ganzen Schwingung, d. i. den Empfindungseffekt der ganzen Schwingung während ihrer Dauer, und insofern sich diese Schwingungen von gleicher Beschaffenheit in der Zeit t m-mal wiederholen, ist die Zeitsumme während der Zeit t das m-fache der vorigen. Um die mittlere Intensität der Empfindung während der Zeit t zu erhalten, haben wir dann diese Summe bloß mit t zu dividieren, oder, insofern t als Faktor in die Empfindungssumme eingehen sollte, wie es sich zeigen wird, diesen Faktor zu streichen.

    Die Form der Funktion F (v) ist dadurch gegeben, daß die Abhängigkeit der Stärke wie Höhe der Empfindung g den Ausdruck hat

sei es, daß wir unter b die Amplitude oder Schwingungszahl der ganzen Schwingung mit zugehörigem Schwellenwerte b verstehen. Soll nun der elementare Empfindungsbeitrag eben so von v als die zur ganzen Schwingung gehörige Empfindung von dem mit v proportionalen b abhängen, so haben wir v für b und einen zu v gehörigen Schwellenwert, der b heiße, für b in voriger Formel zu substituieren 2), und diesen Ausdruck noch mit dt zu multiplizieren, um die unendlich kleine Empfindungssumme während des Zeitelementes dt, d. i. den elementaren Empfindungsbeitrag zu erhalten, dessen Maß hiernach sein wird

g dt = k log dt     Hierin bedeutet g die Intensität des Empfindungsbeitrages während des Zeitelementes dt, v die Geschwindigkeit während dieses Zeitelementes, b den Schwellenwert dieser Geschwindigkeit, d. i. den Wert von v, bei welchem der Empfindungsbeitrag auf die Schwelle tritt, k die gewöhnliche Konstante. 2) Im Kap. 16 wurde der Buchstabe b dafür beibehalten.
 
    Diese Formel soll die Elementarformel und der Wert b die Elementarschwelle heißen.

    Der Begriff der Elementarschwelle b ist nicht daran zu knüpfen, daß, wenn die Geschwindigkeit v momentan über den Wert b steigt, auch momentan die Empfindung entsteht, welche wir an die ganze Schwingung geknüpft finden, sondern daß eben nur ein Beitrag zur Bildung dieser Empfindung entsteht, welcher in der Konstruktion des Maßausdruckes für die Intensität der ganzen Empfindung als positiver zu verrechnen ist, indes die Beiträge, die durch v unterhalb b geliefert werden, als negative zu verrechnen sind, wie alsbald näher betrachtet werden wird. Man wird also im Wesentlichen nur eine mathematische Hilfsgröße darin zu sehen haben, welche zur Vermittelung der Beziehung zwischen dem Elementaren und Ganzen einzuführen nötig ist, und die sich schließlich eliminiert, wie man sehen wird. Will man mehr als diese abstrakte Bedeutung daran knüpfen, so dürfte man darin einen Wert von v zu sehen haben, der, so wie er überschritten wird, eine positive Bestimmung des Bewußtseins gibt, die aber sehr wohl in Allgemeinbewußtsein aufgehen kann, ohne sich als besondere Empfindung geltend zu machen, wenn nicht die Überschreitung eine gewisse Größe erreicht; wie sich denn in der Tat zeigen wird, daß eine gewisse Größe der Überschreitung dazu nötig ist.

    Vielleicht findet man das Prinzip, nach welchem die für die ganze Empfindung gültige Funktion auf den elementaren Beitrag übertragen wird, nicht ganz evident. Auch ist nicht nötig, eine Evidenz in dieser Hinsicht in Anspruch zu nehmen; man kann die Sache so stellen. Jene Übertragung bietet sich jedesfalls als diejenige dar, welche zuerst geprüft zu werden verdient; da sie nun nach der folgenden Analyse zu den erfahrungsmäßigen Resultaten zurückführt, so hat man bei ihr stehen zu bleiben; wie überhaupt das Grundprinzip des ganzen hier eingeschlagenen Ganges dieses ist, diejenigen Annahmen zu stellen, welche nötig sind, die erfahrungsmäßigen Resultate wiederzugeben, und in dieser Hinsicht die an sich einfachsten und natürlichsten Annahmen vor allen anderen zu prüfen.

    Die Geschwindigkeit erster Ordnung ändert ihr Vorzeichen mit der Richtung der Schwingung, und die Geschwindigkeit zweiter Ordnung, je nachdem sie sich auf eine Vermehrung oder Verminderung der Geschwindigkeit erster Ordnung in gegebener Richtung bezieht. Hiernach finden in den 4 Hauptabteilungen einer geradlinigen Schwingung folgende Vorzeichen für die Geschwindigkeit erster Ordnung v und die Geschwindigkeit zweiter Ordnung v statt:
 
 

Phase
v
v
0° — 90°
+
+
90° — 180°
+
-
180° — 270°
-
-
270° — 360°
-
+

Nun haben wir keinen Grund, der Schwingung in den Abteilungen mit entgegengesetzten Vorzeichen von v oder v verschiedene Wirkung auf die Empfindung beizulegen, und dies nötigt uns, das Vorzeichen von v oder v, möchten wir den einen oder anderen Wert in die Elementarformel einführen, als gleichgültig vorauszusetzen, also, sofern wir bei v stehen bleiben, den Ausdruck k log  so zu verstehen oder so zu stellen, daß er bei jedem Vorzeichen von v denselben Wert behält.

    Dies erreichen wir entweder dadurch, daß wir b stets mit v zugleich das Vorzeichen wechseln lassen, wo dann  denselben positiven Wert behält, mag v positiv oder negativ sein, oder daß wir mit Rücksicht, daß es gleichgültig ist, ob wir k oder 2 k für die erste Konstante schreiben, die Form als eine bloße Transformation der Form

als der eigentlich gültigen betrachten, in welchem Falle der Wert unter dem Logarithmuszeichen als eigentlich quadratisch in jedem Falle positiv bleibt. Da wir nun ohnehin das Maß der ganzen Empfindung vielmehr an den Logarithmus der lebendigen Kraft als der Geschwindigkeit geknüpft haben, ist diese Auffassung nur konsequent mit den früheren. Es wird jedoch gleichgültig sein, ob wir uns an die erste oder zweite Auffassung halten wollen; wenn wir nur in jedem Falle als positiv behalten, mag v sein Vorzeichen irgendwie wechseln.

    Es würde an sich nichts hindern, bei der Aufstellung der Elementarformel statt bis zur Maßformel, bis zur Fundamentalformel zurückzugehen, indem man statt des im Zeitelemente dt erfolgenden, von v abhängigen Empfindungsbeitrages die von Vermehrung der Geschwindigkeit v abhängige Vermehrung eines solchen Beitrages in Betracht zöge; aber dadurch eben nur wieder zu der schon aufgestellten Elementarformel zurückgeführt werden, indem die Integration von

bezüglich g eben nur die Formel

wiedergibt.

    Der Natur der Sache nach bleibt bei einfachen geradlinigen Schwingungen v notwendig während eines Teiles der Schwingung unter der Schwelle b, weil die Geschwindigkeit in jeder geradlinigen Schwingung während des Hin- und Herganges zweimal von Null anhebt und erst bis zu gewissen Grenzen angestiegen sein muß, um den Wert b zu erreichen. So lange nun b noch nicht erreicht ist, mithin v < b ist, ist der ganze Wert k log dt und mithin der elementare Empfindungsbeitrag negativ. Jede solche Schwingung schließt also mit positiven zugleich negative Empfindungsbeiträge ein oder kann selbst ganz aus solchen bestehen, wenn wegen zu kleinem a oder n die Elementarschwelle b selbst im Maximum von v, d. i. beim Durchgange durch die Gleichgewichtslage nicht erreicht wird. Da im Folgenden öfters auf eine Schwingung wird Bezug zu nehmen sein, bei welcher a, t , n so beschaffen sind, daß im Maximo der Elementarschwellenwert b nur eben durch v erreicht wird, so soll eine solche Schwingung den Namen der Grundschwingung erhalten, und die Amplitude, Schwingungsdauer und Schwingungszahl derselben, als Grundschwellenwerte, respektiv mit a, J ,u bezeichnet werden. So wie  oder an den Wert  oder au überschreitet, beginnt damit nach dieser Begriffsbestimmung ein positiver Empfindungsbeitrag, indem damit die Elementarschwelle b überschritten wird, ohne daß dies bemerktermaßen schon hinreicht die an die Schwingung geknüpfte charakteristische Empfindung bemerklich werden zu lassen, wozu nach dem Ergebnisse der folgenden Analyse der Wert  oder an erst einen in einem angebbaren bestimmten Verhältnisse höheren Wert als  oder au erlangen muß. Die Werte von a, t , n, welche erreicht werden müssen, damit die charakteristische Empfindung auf die Schwelle im gewöhnlichen früheren Sinne, wo wir noch nicht auf das Elementare zurückgingen, trete, sollen auch wie früher mit a1, t1, n1bezeichnet und diese Schwelle Empfindungsschwelle (respektiv Tonschwelle, Lichtschwelle, je nach dem Empfindungsgebiete) genannt werden.

    Nun erhebt sich die wichtige Frage, wie die negativen Beiträge in Verbindung mit den positiven zu verrechnen sind. Hier ist eine Unterscheidung nötig. Nach dem Th. II. S. 61 aufgestellten Prinzipe können die positiven oder bewußten Empfindungen, die durch Übersteigen der Empfindungsschwelle in einer gewissen Zeit entstehen, nicht kompensiert werden durch die negativen, unbewußten, welche in einer anderen Zeit entstehen, und falls beide eine gleich große Zeitsumme gäben, kein Nullzustand der Empfindung dadurch hergestellt werden. Man darf also die Empfindungssumme während einer gewissen Zeit nicht durch die algebraische Summierung der positiven und negativen Empfindungen, die während dieser Zeit statt gehabt, ziehen wollen, sondern die positive Summe ist besonders ohne die negative zu nehmen, um zu wissen, wie viel Empfindung man überhaupt wirklich gehabt hat. Dies ist evident.

    Inzwischen handelt es sich hier nicht wie früher um schon formierte, diskrete Empfindungen, sondern solidarisch dazu zusammenwirkende Beiträge, um den Wert, mit dem sich eine Empfindung von gewisser Qualität, je nach den Verhältnissen der dazu beitragenden Momente, über den Grund des Allgemeinbewußtseins erhebt; und hier ist es nicht mehr evident, daß wir die positiven Beiträge dazu ohne die negativen in Rechnung zu nehmen haben; vielmehr ließe sich denken, daß, je größer in jeder Schwingung die Summe der negativen Beiträge in Verhältnis zur Summe der positiven ist, um so weniger sich die besondere Empfindung über den Grund des Allgemeinbewußtseins erhebt; und daß überhaupt positive und negative Beiträge solidarisch zur Bestimmung der Form und Größe der an die Schwingung geknüpften besonderen Empfindung beitragen, demnach die Summe der positiven und negativen Beiträge in dieser Beziehung nicht zu sondern, sondern algebraisch zu addieren sei, um das Maß der besonderen Empfindungsleistung zu haben.

    Es scheint mir nun wieder schwer oder unmöglich, in dieser Beziehung etwas a priori entscheiden zu wollen. Die nachfolgende Untersuchung aber gibt die Entscheidung insofern, als nur unter der letzten hier als möglich aufgestellten Voraussetzung der Erfahrung entsprechende Resultate durch Rechnung wiederzufinden sind. Es zeigt sich, daß, wenn wir die positiven und negativen Beiträge sondern und unter Beiseitelassung der letzteren die Größe, mit welcher die Empfindung als eigentümliche ins Bewußtsein tritt, bloß nach der Summe der positiven Beiträge bemessen wollten, dem erfahrungsmäßigen Weber’schen Gesetze nicht entsprochen werden könnte; was dagegen der Fall ist, wenn wir die algebraische Summe der positiven und negativen Beiträge als maßgebend für die dabei zu vergleichende Empfindungsgröße nehmen. Zugleich gewinnen wir dadurch, daß wir die negativen Beiträge in die Komposition der Empfindung selbst mit eingehen lassen, ein Element mehr zur Erklärung qualitativer Unterschiede der Empfindung.

Ich halte daher bis auf Weiteres, falls nicht die ganze Elementarkonstruktion des Empfindungsmaßes fallen oder eine wesentlich andere Wendung nehmen soll, als unter der ich sie darzustellen vermöchte, die algebraische Summation der positiven und negativen Beiträge für ein vergleichbares Empfindungsmaß nötig 3).

3) Zu dieser Überzeugung bin ich, nachdem ich früher der entgegengesetzten Ansicht gewesen, erst durch eine neue Revision dieses Gegenstandes gelangt und muß hiernach den noch Th. II. S. 63 gebrauchten Ausdruck, daß die Summe der negativen Beiträge einfach ausfalle, für nicht mehr triftig erklären.
 
    Die folgende Untersuchung beschränkt sich auf folgende 4 Fälle:

        1) Einfache geradlinige Schwingungen.

        2) Einfache kreisförmige Schwingungen.

        3) Die Zusammensetzung zweier geradlinigen Schwingungen von gleicher Amplitude a und Schwingungsdauer t, welche in dieselbe Richtung fallen und in beliebiger Phase zusammentreffen.

        4) Die Zusammensetzung zweier geradlinigen Schwingungen von verschiedener Amplitude a, a' und Schwingungsdauer t , t ' oder Schwingungszahl n, n', aber gleicher lebendiger Kraft, so daß zwar a verschieden von a' und t von t ', so wie demgemäß n von n' daß aber  und an = a' n' ist.

    Den Fall, daß beliebig viele Schwingungen von gleicher Schwingungsdauer aber beliebiger Amplitude in gleicher Phase und Richtung zusammentreffen, ist es nicht nötig, besonders zu behandeln, da eine solche Zusammensetzung einer einfachen Schwingung mit einer Amplitude gleich der Summe der komponierenden Amplituden ohne Änderung der Schwingungsdauer und Phase in jeder Hinsicht gleichkommt.
 
 

c) Übersicht der im Folgenden gebrauchten Bezeichnungen.

a ) Allgemeine Bezeichnungen.

          g die Intensität eines Empfindungsbeitrages während des Zeitelementes dt;

v die Geschwindigkeit der Schwingung im gewöhnlichen Sinne (erster Ordnung) während des Zeitelementes dt, von welcher g abhängt;

v die Geschwindigkeit zweiter Ordnung in dem ( s. o.) angegebenen Sinne;

b die Elementarschwelle von v oder v in dem (s. o.) angegebenen Sinne, je nachdem der elementare Empfindungsbeitrag von v oder v abhängig gemacht wird;

St oder St die Empfindungssumme, welche während einer Schwingung von der Dauer t oder durch eine Anzahl Schwingungen während der Dauer t entwickelt wird, wonach die mittlere Intensität der Empfindung während der Zeit t durch Division von St mit t erhalten werden kann;

p die Ludolf’sche Zahl oder Länge der halben Kreisperipherie den Radius = 1 gesetzt;

k die gewöhnliche Konstante.
 
 

b ) Für eine einfache geradlinige oder kreisförmige Schwingung:
  a die Amplitude;            t die Schwingungsdauer; n die der Dauer reziproke Schwingungszahl in solcher Weise, daß überall n für  und t für  gesetzt werden kann;

G die Maximumgeschwindigkeit beim Durchgange durch die Lage des Gleichgewichtes bei einer einfachen geradlinigen Schwingung, oder die, derselben bei gleicher Amplitude gleiche, konstante Geschwindigkeit bei einer kreisförmigen Schwingung;

a ,J , u die Grundschwellenwerte von a, t , n in dem (s. o.) angegebenen Sinne; d. h. die Werte von a, t , n, bei welchen, wenn sie stattfinden, die Geschwindigkeit G eben an die Elementarschwelle b reicht;

a1 t1, n1 die Empfindungsschwellenwerte von a, t , n in gewöhnlichem Sinne, d. i. die Werte von a, t , n, bei welchen, wenn sie stattfinden, die an die ganzen Schwingungen, um die sich’s handelt, geknüpfte besondere Empfindung auf die Schwelle tritt.

 
g ) Für eine zusammengesetzte geradlinige Schwingung.

    Für den Fall der Zusammensetzung zweier geradlinigen Schwingungen zu einer einzigen werden die vorigen Bezeichnungen für beide komponierende Schwingungen dadurch unterschieden, daß sie für die eine mit einem Strichelchen oben, für die andere ohne solches gebraucht werden. A sei die Amplitude, G die Maximumgeschwindigkeit der resultierenden Schwingung, indes G die Maximumgeschwindigkeit einer komponierenden Schwingung ist. Es bezeichnen dann a , J , u und a ', J', die Werte in den komponierenden Schwingungen, bei welchen, wenn sie stattfinden, die Maximumgeschwindigkeit G der resultierenden Schwin-gung der Elementarschwelle b gleich wird, a1, t1, n1 und a'1, t '1 , n'1 die Werte in den komponierenden Schwingungen, bei welchen, wenn sie stattfinden, die ganze, an die resultierende Schwingung geknüpfte, Empfindung auf die Schwelle tritt.

    Im Momente, von wo an die Zeit t gerechnet wird, sei c die Zeit, die seit dem Beginne der Schwingung ohne Strich verflossen ist, und c' die, welche seit dem Beginne der Schwingung mit Strich verflossen ist, wenn der Beginn jeder Schwingung bei dem auf derselben Seite gelegenen Maximum der Ausweichung angenommen wird, wonach  und  die Phasen beider komponierenden Schwingungen zur Zeit t = 0 sind. Endlich sei

der halbe Phasenunterschied beider Schwingungen.
 
 

d) Gleichungen für die Schwingungen, auf denen im Folgenden gefußt wird.

    Für eine einfache geradlinige Schwingung hat man (vgl. Kap. 30)

Dabei ist der Anfang der Zeit bei dem Punkte gesetzt, wo das Teilchen an den Grenzen der Oszillation ist.

    Für eine kreisförmige Schwingung bat man

Für eine Zusammensetzung zweier geradlinigen Schwingungen von der Amplitude a, a¢ und Schwingungsdauer t, , welche in dieselbe Richtung fallen und in den Phasen  und  zusammentreffen, hat man

Den Wert v für eine geradlinige Schwingung so wie Zusammensetzung geradliniger Schwingungen erhält man durch die Gleichung v, also für eine einfache geradlinige Schwingung durch

    Bei einer kreisförmigen Schwingung ist


 

e) Formeln und Resultate, welche aus der Untersuchung hervorgehen.

Unter Zugrundelegung der vorigen Prinzipien, Bezeichnungen und Formeln etc., unter Voraussetzung, daß die Geschwindigkeit erster Ordnung v in die Elementarformel substituiert wird 4), fließen aus der nachfolgenden Herleitung folgende Formeln und Resultate:

    1) Für eine einfache geradlinige Schwingung hat man

(1)

                     (2)

                     (3)

    Für eine einfache kreisförmige Schwingung:
(4)

                        (5)

                        (6)

    Für eine Zusammensetzung zweier geradlinigen Schwingungen, die in dieselbe Richtung fallen, in welchen nicht nur an = a¢ n', sondern auch insbesondere a = a¢, n = n', und bei welchen der halbe Phasenunterschied, wenn sie zusammentreffen, D ist:
(7)
                        (8)

                        (9)

4) Das Resultat der Substitution von v  findet man mit der Herleitung desselben für eine einfache geradlinige Schwingung zum Schlusse des Abschnittes (s. u.)
 
    Für eine Zusammensetzung zweier geradlinigen Schwingungen, die in dieselbe Richtung fallen, in welchen an = a'n', aber a von a' und n von n' verschieden ist, ohne Rücksicht auf einen bestimmten Phasenunterschied beim Zusammentreffen :

(10)

(11)

(12)

    Bei dem Vergleiche der für die 4 untersuchten Fälle gefundenen Maßausdrücke ist wichtig, sich zu erinnern, daß b ein absoluter, nicht nur von a, t , n, sondern auch von der Schwingungsform unabhängiger Wert ist, wogegen au so wie a1n1 zwar von an unabhängig, aber von der Schwingungsform abhängig sind. Wenn man sonach den Größenwert der Empfindung St bei bestimmtem a und n für verschiedene Schwingungsformen vergleichen will, hat man nur die Formeln anzuwenden, in welche außer k, t, p bloß a, n,b eingeht; indes die Formeln, in welche au und a1n1 eingehen, nur dienen können, den Größenwert der Empfindung für abgeänderte Werte von a und n bei derselben Schwingungsform zu vergleichen.

    2) In sämtlichen untersuchten Fällen findet sich nach (3), (6), (9) und (12) der erfahrungsmäßig geforderte Ausdruck des Empfindungsmaßes, auf welchen die Erörterungen des 30. Kapitels führten, wieder, wenn man St mit t dividiert, oder t = 1 setzt, und berücksichtigt, daß k im jetzigen Kapitel den doppelten Wert als im Kap. 30 hat. Hierin ist das Weber’sche Gesetz bezüglich a und n und die Kompensierbarkeit von a durch n im mehrfach besprochenen Sinne von selbst eingeschlossen.

    3) Der Ausdruck für das periodische Element der Tonskala  ist in den gegebenen Formeln aus dem (Kap. 30) angegebenen Grunde nicht sichtbar, tritt aber in der schon früher angezeigten Weise bei der Ableitung des Maßausdruckes für sich auf.

    4) Nach der festgestellten Bedeutung von a und u (s. o.) wird bei einer einfachen geradlinigen Schwingung die Elementarschwelle erreicht, wenn an den Wert au annimmt, nach der aus unserer Rechnung hervorgegangenen Formel (2) wird die Empfindungsschwelle erreicht, d. h. St verschwindet, wenn an den Wert 2au annimmt, d. i., wenn die Schwingungszahl u sich bei gleichem a um eine Oktave erhöht.

    5) Bei einer kreisförmigen Schwingung fällt der Wert der Empfindungsschwellen a1, t1, n1, mit dem der Grundschwellen a1, t1, u1 zusammen.

    6) Nach dem Vergleiche des Ausdruckes für die geradlinige und kreisförmige Schwingung (unter Rücksicht auf die o. g. gemachte Bemerkung) stimmt das Empfindungsresultat der kreisförmigen Schwingung seiner Größe nach mit dem einer geradlinigen Schwingung von gleicher Amplitude und doppelter Schwingungszahl oder von gleicher Schwingungszahl und doppelter Amplitude überein; es geht aber in den Maßausdruck für die kreisförmige Schwingung kein von der Periodizität abhängiger Wert ein, und es ist hiernach nicht auf gleiche Qualität der Empfindungen zu schließen. Hiernach wird man auch die Tonschwingungen innerlich nicht an kreisförmige Schwingungen geknüpft denken können, wie denn in der Tat in einer gleichförmigen kreisförmigen Bewegung nichts ist, was eine Periode abgrenzte.

    7) Von den beiden Fällen der Zusammensetzung zweier geradliniger Schwingungen, welche in Rechnung gezogen sind, und bei welchen an = a'n', scheint der erste, wo zugleich a = a' und n = n¢ , nur ein besonderer Fall des zweiten zu sein, wo a von a', n von n' und mithin t von t ' irgendwie verschieden gesetzt ist, sofern die Allgemeinheit des zweiten Falles scheint gestatten zu müssen, diesen Unterschied beliebig klein, also auch null zu setzen, und sofern nicht erhellt, warum ein Phasenunterschied einen Einfluß im ersten besonderen Falle gewinnen kann, wenn er im zweiten allgemeinen nicht in Rücksicht kommt.

    Hingegen lehrt ein Blick auf (s. o.), daß die Formeln für den ersten Fall nicht wirklich aus denen für den zweiten durch Gleichsetzung von a und a', n und n' ableitbar sind; denn in die Formeln für den ersten Fall geht der halbe Phasenunterschied D ein, der in die Formeln für den zweiten nicht eingeht, und betrachtet man die Formeln des ersten Falles für cos D = 1, wo beide komponierende Schwingungen in gleicher Phase zusammentreffen, so hat man

Indes die des zweiten Falles geben

Nach den Formeln des ersten. Falles stimmt also das psychische Resultat der Zusammensetzung seiner Größe nach mit dem einer einfachen Schwingung überein, deren Schwingungsprodukt 2an wäre, nach denen des zweiten mit dem einer einfachen Schwingung, deren Schwingungsprodukt nur an wäre.

    Der Widerspruch, der hierin zu liegen scheint, ist jedoch nur scheinbar.

    Es ist nämlich in Rücksicht zu ziehen, daß die für den zweiten zusammengesetzten Fall aufgestellten Formeln bei ihrer übrigen Allgemeinheit doch nach ihrer folgenden Herleitung voraussetzen, daß der Phasenunterschied der interferierenden Schwingungen nicht konstant derselbe bleibt, wie es der Fall ist, wenn t = t '. mithin n = n' ist, so daß dieser Fall ausdrücklich von der Allgemeinheit des zweiten zusammengesetzten Falles zu exzipieren ist. Nun liegt zwar für den ersten Anblick etwas außerordentlich Befremdendes darin, daß eine noch so kleine Abweichung zwischen t und t ’ das psychische Resultat der zusammengesetzten Schwingung auf einmal in so beträchtlichem Verhältnisse gegen den Fall der Gleichheit von t oder t ' soll reduzieren können, wie es (s. o.) angegeben ist, und aus dem Vergleiche der Formeln des ersten und zweiten zusammengesetzten Falles folgt. Es scheint dies dem Prinzip der Kontinuität geradezu zu widersprechen, und ich glaubte längere Zeit, es müsse ein Rechnungsfehler in der Ableitung der Formeln obwalten, was nach sorgfältigster Revision derselben sicher nicht der Fall ist. Eine genaue Erwägung zeigt aber auch, daß hier nichts Widervernünftiges vorliegt. Man muß nämlich bedenken, daß, wenn die Schwingungsdauern t , t' noch so wenig verschieden sind, im Laufe vieler Schwingungen — für welche die Summation bei vorigem Resultate in der Tat vorausgesetzt ist, — notwendig nach und nach auch alle Grade der Abweichung und Entgegensetzung der Phasen durchschritten werden müssen, indes bei gleichbleibendem Phasenunterschiede, welcher an die Gleichheit zwischen t und geknüpft ist, dies nicht der Fall sein kann.

    Auch führt die Interferenz schon in Betreff der physischen Intensität, welche ihr Maß in der lebendigen Kraft der Schwingungen hat, zu einem entsprechend paradoxen Resultate, als wir hier bezüglich der psychischen Intensität finden. Nach den bekannten Interferenzregeln gehen zwei in der Schwingungsdauer übereinstimmende geradlinig schwingende Strahlen von gleicher Phase und Amplitude einen zusammengesetzten Strahl, dessen physische Intensität doppelt so groß ist, als die Summe der Intensitäten seiner Komponenten, also 4i ist, wenn die Intensität jeder Komponente i ist. Wenn aber die beiden Strahlen noch so wenig in der Schwingungsdauer abweichen, so sinkt die Summe 4i auf 2i, und allgemein ist die Summe der physischen Intensitäten zweier geradlinig schwingenden Strahlen von gleicher Amplitude, aber verschiedener Schwingungsdauer, welchen die Intensitäten i, i' zukommen, = i + i', wobei die Phase, in der sie zusammentreffen, gleichgültig ist.

    Dieses Resultat ist von Grailich 5)streng erwiesen und die Sonderbarkeit, die hierin liegt, schon hervorgehoben worden, indem er sagt:

    "Die Intensität des (aus zwei geradlinig schwingenden Strahlen von gleicher Amplitude und verschiedener Schwingungsdauer resultierenden Strahles ist gleich der Summe der Intensitäten der komponierenden... Es ist dieser Satz darum merkwürdig, weil bei der Interferenz von zwei homogenen Strahlen von gleicher Phase und Amplitude die Intensität des neuen Strahles das Doppelte der Summe der Intensitäten seiner Komponenten wird; die gegenseitigen Verzögerungen, die aus der Ungleichheit der Wellenlängen entspringen, zehren gerade die Hälfte der aufgewendeten Kraft auf, die relative Länge der Wellen sei welche immer."

5) Sitzungsberichte der Wien. Akad. 1854. S. 805 ff. — Die von Amplitude und Schwingungsdauer oder Undulationslänge zugleich abhängige physische Intensität oder lebendige Kraft des Strahls ist von Grailich durch den gegebenen Ausdruck bestimmt, und es kommt der daselbst angezeigte Irrtum bei der Herleitung obigen Resultates nicht in Betracht.
 
    8) Wenn statt der algebraischen Summe der positiven und negativen Empfindungsbeiträge bloß die positiven Beitrage zum Maße der Zeitsumme der Empfindung dienen sollten, so würde man die besonders bestimmte Summe der negativen Beiträge von dem Werte St in den obigen Formeln abzuziehen haben, um die der positiven als Rest besonders zu erhalten. Diese Summe der negativen Beiträge ist nun bei einer einfachen geradlinigen Schwingung für den besonderen Fall der Grundschwingung, wo an = au, durch kt log 1/2 gegeben, was, von kt log  abgezogen, als Maßausdruck lassen würde kt log . Aber nach Maßgabe als die Grundschwelle überstiegen wird, ändert sich notwendig die Summe der negativen Beiträge; es würden daher bei wachsendem a und n immer andere Summen abzuziehen sein, womit das Weber’sche Gesetz nicht bestehen könnte, auch würde die negative Summe für andere Fälle als jenen Grenzfall mit den jetzigen Mitteln der Analyse, so viel ich übersehen kann; nicht besonders bestimmbar sein.

f) Herleitung der Formeln.

    Ich gebe diese Herleitung zuerst für die Voraussetzung, daß die Geschwindigkeit erster Ordnung v für b in die Maßformel zu substituieren sei, um die Elementarformel zu erhalten, mithin diese sei:

.

Im Falle einer einfachen geradlinigen Schwingung haben wir nach (s. o)

wonach Stgegeben ist durch

Durch Zerlegung des Logarithmus des Produktes in die Summe der Logarithmen der Faktoren geht dieser Ausdruck über in

wenn wir die beiden Integrale, in die sich Stzerlegt, respektiv mit k P, kQ bezeichnen.

Das Integral P ist

    Um auch Q zu finden, transformieren wir das Integral, indem wir setzen

, mithin 

    So erhalten wir

wofür sich substituieren läßt

da die ganze Schwingung sich in 4 gleiche Abteilungen zerlegt.

    Das bestimmte Integral  ist aber eben so wie  nach Euler gleich . Mithin erhalten wir den, von der reinen Periodizität abhängigen, Faktor 

und

Also:

    Denken wir uns nun eine Schwingung von solcher Amplitude a und Dauer J, oder Zahl u, daß im Maximum der Geschwindigkeit der Elementarschwellenwert b stattfindet, so haben wir

und da das Maximum stattfindet, wenn der Sinus = 1, so ist dieser Maximumwert von  und dieser Wert also für b substituierbar, wodurch wir erhalten :

Eine Zeit t = mt , welche m Schwingungen von der Dauer t befaßt, wird das m-fache von Stgeben; wonach man hat

    Indem endlich der Wert von an, bei welchem St verschwindet, das Schwellenprodukt a1n1 gibt, stimmt dieses mit 2 au überein und kann dafür substituiert werden, so daß man schließlich hat

    Im Falle einer kreisförmigen Schwingung haben wir nach (s. o.)


 
 

    Für den Wert b läßt sich der Wert v in einer kreisförmigen Schwingung substituieren, deren Werte a, t , u so beschaffen sind, daß v gerade gleich b. In einer solchen Schwingung ist

Wonach

Die Werte a , J, u fallen hier mit den Schwellenwerten a1, t1, n1 unmittelbar zusammen, so daß sie in vorigen Formeln dafür substituiert werden können.

    Für den Fall der Zusammensetzung zweier geradlinigen Schwingungen von den Amplituden a, a' und Schwingungsdauern t, t ', welche in dieselbe Richtung fallen und in den Phasen und  zusammentreffen, hat man allgemein den (s. o.) angegebenen Wert v. Ich weiß die Gleichung  bei Substitution dieses Wertes v nicht allgemein zu integrieren; doch kann es für die auf (s. o.) unter 2) und 3) angezeigten Hauptfälle geschehen.

Sei also zuvörderst a = a' und t = , so verwandelt sich der Wert v in

Nach der bekannten trigonometrischen Gleichung

aber läßt sich dieser Ausdruck in folgenden verwandeln

wenn D der halbe Phasenunterschied  und  . Da der Anfang der Zeit willkürlich ist, verlegen wir ihn so weit rückwärts, daß die von dem neuen Anfangspunkte gerechnete Zeit t' = t + C ist, mithin t = t' - C, wodurch sich C im Werte von v hebt. Indem wir dann wieder t' mit t vertauschen, da die Bezeichnung gleichgültig ist, erhalten wir

.

Die Empfindungssumme während der Zeit t ist hiernach

Wird dieser Ausdruck wie die vorigen behandelt, so hat man

    Denken wir uns nun eine resultierende Schwingung mit solchen Werten a, t , n der komponierenden Schwingungen, daß im Maximo die Elementarschwelle b erreicht wird, und nennen diese Werte wie bisher a, J , u , so haben wir

hiernach

    Betrachten wir endlich den Fall, daß a von a' und t von t ' verschieden, aber immer noch  und mitbin an = a' n' ist; wonach die Maximumgeschwindigkeit Gfür beide gleich ist, so ist

    Verwandeln wir die Summe der Sinus wieder in ein Produkt aus Sinus und Cosinus, so erhalten wir                                      worin

    Verwandeln wir dann im Ausdrucke von  den Logarithmus des Produktes in eine Summe von Logarithmen, und setzen

so erhalten wir

Integrieren wir nun diesen Ausdruck von t = 0 bis t = mtT, indem wir m so nehmen, daß sowohl mt als mT eine ganze Zahl, was bei freigestellter Größe von m immer mit beliebiger Approximation zu erreichen ist, so gibt das erste Glied direkt

    Das Integral des zweiten Gliedes ist von x = C bis x = 2mpt + C zu nehmen, wie sich findet, wenn wir in den Wert von für t an der ersten Grenze substituieren 0, an der zweiten mtT. Da nun aber mt eine ganze Zahl, mithin 2mtp einer ganzen Zahl voller Kreisumfängen gleich ist, so stimmt, wenn x als Kreisbogen betrachtet wird, nach der Natur der Kreisfunktionen, das von x = C bis x= 2mtp + C genommene Integral mit dem von x = 0 bis x = 2mtp genommenen überein, und wir können C streichen. So bleibt für das zweite Glied übrig

    Da wir nun ferner nach der Natur der Kreisfunktionen setzen können

so geht dies Glied über in

welches mit Rücksicht auf den früher angegebenen Wert sich auf

reduziert. Das dritte Glied gibt nach gleicher Behandlung denselben Wert, mit Rücksicht, daß der Wert  ebenfalls . Addieren wir nun die so erhaltenen drei Integrale und ersetzen den Ausdruck für die Zeit mtT durch t, so erhalten wir

mit Rücksicht, daß 2 log = log.

    Dabei ist zu berücksichtigen, daß, wenn t = t' wäre, der Wert t null werden und hiermit das dritte Glied, was in die Summe eingeht, wegfallen, man also statt 2 log nur log  erhalten würde, was den Unterschied des jetzt behandelten vom vorhin behandelten Falle bedingt, wovon (s. o.) die Rede war.

    Denken wir uns nun eine zusammengesetzte Schwingung unter Beibehaltung der Gleichheit der lebendigen Kräfte ihrer Komponenten so beschaffen, daß im Maximo ihrer Geschwindigkeit die Schwelle b erreicht werde, so können wir wiederum diese Maximumgeschwindigkeit für b substituieren. Seien a, J , u und a', J ', u ' die Amplituden, Schwingungsdauern und Schwingungszahlen der Komponenten dieser Schwingung. Das Maximum der Geschwindigkeit v findet statt, wenn die Sinus im Ausdrucke derselben (s. o.) zugleich 1 werden, mithin ist für b zu substituieren

und, da

so erhalten wir jetzt

oder, da a n = a¢ n¢, au = a¢u¢

    Machen wir jetzt die zweite Voraussetzung, daß in die Elementarformel für b die Geschwindigkeit zweiter Ordnung v zu substituieren ist, mithin

zu setzen ist, indem wir uns dabei auf den Fall einer einfachen geradlinigen Schwingung beschränken, wo

.

Wenden wir nun hierauf ganz dieselbe Behandlung an, als früher auf die Substitution von v in die Elementarformel, so erhalten wir

.

Hierin ist b der Wert der Geschwindigkeit zweiter Ordnung v, bei welchem der Empfindungsbeitrag auf die Schwelle tritt, und wenn a , J,u die Amplitude, Schwingungsdauer und Schwingungszahl einer Schwingung bezeichnen, bei welcher v im Maximum diesen Wert erreicht, haben wir, unter Setzung von in obigem Ausdrucke von v:b; hiernach

g) Allgemeinere Betrachtungen.

    Insofern durch die vorigen Formeln und Resultate gesetzliche Beziehungen zwischen Körper und Seele festgestellt werden, sind sie prinzipiell auf die den Empfindungen unmittelbar unterliegenden, also psychophysischen Bewegungen zu beziehen, und würden insofern vielmehr in die innere als die äußere Psychophysik gehören. Aber sie stützen sich unmittelbar auf Erfahrungen, die der äußeren Psychophysik angehören, sofern die Elementarformel, von der sie abhängen, nur eine Übersetzung der Maßformel, welche in der äußeren Psychophysik gewonnen wurde, ins Elementare ist, und sie können direkte Bewährungen nur in der äußeren Psychophysik suchen, d. i. indem wir sie mit den äußeren Bewegungen vergleichen, wodurch die inneren angeregt werden, da wir die inneren selbst nicht unmittelbar beobachten können, wonach sie als eins der Übergangs- oder Vermittelungsglieder zwischen der äußeren und inneren Psychophysik an den Schluß dieses Hauptabschnittes der ersteren gestellt sind.

    Eine direkte Bewährung von Formeln und Resultaten, die sich prinzipiell auf die inneren Bewegungen beziehen, an den äußeren Bewegungen kann aber natürlich nur nach Maßgabe erwartet und gesucht werden, als eine Übereinstimmung beider Bewegungen stattfindet. Die Untersuchung, inwiefern die direkte Bewährbarkeit vorhanden ist, kann daher aus einem doppelten Gesichtspunkte geschehen.

    Unter Voraussetzung, daß die inneren und äußeren Bewegungen schlechthin übereinstimmen, würde eine solche Untersuchung nichts Anderes als die Untersuchung sein, ob die vorigen Formeln und mithin Prinzipien, aus denen sie abgeleitet sind, überhaupt triftig sind. Denn wären sie es, so müßten sich alle Verhältnisse zwischen Empfindung und Bewegung, welche aus den vorigen Formeln fließen, schon in den Beziehungen der Empfindung zu den äußeren Bewegungen bestätigen, und wo es nicht der Fall, wäre damit die Falschheit der Formeln und der Prinzipien, aus denen sie fließen, erwiesen. Unter Voraussetzung der gesicherten Triftigkeit dieser Formeln und Prinzipien hingegen würde es die Untersuchung sein, wiefern eine Übereinstimmung der äußeren und inneren Bewegungen stattfindet. Nun kann die erste Voraussetzung von vorn herein nur bis zu gewissen Grenzen statuiert werden. Die Erregung der Sinnesorgane durch die Reize, mit denen wir es hier zu tun haben, tritt unter den allgemeinen Gesichtspunkt, daß eine Schwingungsbewegung in den Medien der Außenwelt durch Fortpflanzung zu den Medien der Innenwelt Bewegungen hervorruft, die wir nach wahrscheinlichster Voraussetzung selbst unter der Form von Schwingungsbewegungen zu denken haben. Dabei haben die Schwingungsbewegungen in den Medien der Außenwelt, ehe sie zum Medium des Nervensystems gelangen — zuvor aber sind sie erfahrungsmäßig nicht im Stande, Empfindung zu erwecken, — noch das Medium der äußeren Sinnesorgane zu durchdringen. Nun hängt nach den allgemeinsten Bewegungsgesetzen die Natur der Schwingungsbewegungen, die in einem Medium dadurch erweckt werden, daß sich Schwingungen aus einem anderen dahin überpflanzen, zwar von der Beschaffenheit der erweckenden mit ab, und korrespondiert unter Umständen sogar sehr genau damit, wie die Tatsachen und Verhältnisse der Resonanz beweisen, aber nicht allein ab, da vielmehr die Natur des Mediums, unter dessen Zwischenwirkung und an welches die Mitteilung erfolgt, Einfluß darauf hat. Wir kennen die Natur und näheren Bedingungen der Erregung unserer Sinnesnerven keineswegs hinreichend, um a priori sagen zu können, wie sich hierbei die erregten zu den erregenden Bewegungen überall verhalten müssen; aber so viel wissen wir doch, daß die Bedingungen komplizierter sind, als bei den einfachsten Fällen der Resonanz in der Außenwelt; selbst bei der vollkommensten Resonanz in der Außenwelt aber bleibt bei übertragener Schwingungszahl die Form und Amplitude der übertragenen Schwingungen nicht unverändert, sondern durch die besonderen Verhältnisse des resonierenden Systems und der Übertragungsweise daran mitbestimmt. Also auf der ersten Voraussetzung läßt sich nicht schlechthin fußen.

    Von der anderen Seite sind aber auch die Prinzipien, aus denen die vorigen Formeln und Resultate abgeleitet sind, nicht so sicher a priori, daß sie nicht der Stützung durch Erfahrung bedürften, die sich nun aber doch bloß an den äußeren Bewegungen unter Voraussetzung einer Korrespondenz mit den inneren gewinnen läßt.

    Es ist nicht zu leugnen, daß hieraus eine solidarische Schwierigkeit der Sicherstellung unserer Prinzipien und der Ermittelung des Verhältnisses der äußeren und inneren Bewegungen zugleich erwächst, welche nicht auf den ersten Anlauf vollständig zu überwinden sein wird. Böte nicht überhaupt die Psychophysik größere Schwierigkeiten als die Physik, so würde sie von jeher gleichen Schritt mit ihr gehalten haben. Meines Erachtens aber darf man sich so gegen die vorliegende Schwierigkeit stellen.

    Man untersucht zuerst, ob die Erfahrung, die sich an den äußeren Bewegungen machen läßt, zu den Resultaten der, auf die inneren Bewegungen bezüglichen, Theorie, die sich bis jetzt nur bezüglich sehr einfacher Fälle (in vorigen Formeln) hat aufstellen lassen, etwas in der Art Entsprechendes darbietet, daß das Zusammenstimmen von Theorie und Erfahrung nicht wohl als Zufall angesehen werden kann. Findet sich dies, wie ich glaube, daß es sich im Gebiete der Töne findet, findet man zugleich, daß das, was man von den physischen und physiologischen Bedingungen. der Übertragung der äußeren Bewegungen ins Innere kennt, einem Entsprechen der äußeren und inneren Bewegungen hier in soweit günstig ist, als das Entsprechen zur Bestätigung der Theorie vorauszusetzen ist, wie ich glaube, daß es sich hier ebenfalls findet, so hält man dadurch die Richtigkeit der Theorie und die Korrespondenz der äußeren und inneren Bewegungen nach den betreffenden Beziehungen zugleich für wesentlich begründet, und sucht nun, durch welche Erweiterungen oder Nebenbestimmungen entweder der Theorie, oder welche, nach der Sachlage möglichen oder wahrscheinlichen Abweichungen zwischen der Korrespondenz äußerer und innerer Bewegungen man die Fälle, wo sich kein so unmittelbares Entsprechen zwischen den Resultaten der Theorie und Erfahrung zeigt, zu decken vermag. Man überlegt endlich, ob irgend eine andere Theorie in allen diesen Beziehungen zulänglicher ist oder mehr leistet, als die angegebene. So wird man, wenn zu keiner absolut gewissen, aber der wahrscheinlichst möglichen psychophysischen Theorie und zugleich Ansicht über das Verhältnis der äußeren und inneren Bewegungen gelangen und durch fortgesetzte Prüfung nach allen Richtungen diese Wahrscheinlichkeit bis zu dem Grade steigern können, den man der Gewißheit äquivalent setzt.

    Indes mir nun die Übereinstimmung der Theorie mit dem, was wir im Tongebiete finden, groß genug scheint, um aus ersterem Gesichtspunkte Zutrauen für die Grundpunkte der Theorie zu erwecken, fordern die Abweichungen, welche das Gebiet der Farben zwischen Theorie und Erfahrung darbietet, zu einer Untersuchung aus dem zweiten Gesichtspunkte auf, wobei insbesondere die Abweichung der Farben vom Weber’schen Gesetze (Th. I. S. 175) und das Helmholtz’sche Gesetz (Th. II. S. 176) unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Hierauf gehe ich im folgenden Kapitel ein. Einen Punkt aber will ich gleich hier erörtern.

    Die lebendige Kraft einer kreisförmigen Schwingung von der Amplitude a und Dauer t ist doppelt so groß als die einer geradlinigen Schwingung von gleicher Amplitude und Dauer und ist gleich der lebendigen Kraft einer geradlinigen Schwingung von der Amplitude  und Dauer t 6). Auch kann nach den Interferenzregeln ein zirkulärschwingender Strahl von der Amplitude a einen geradlinigschwingenden von der Amplitude  bezüglich der Helligkeit vertreten. Nach unseren obigen Formeln (Formel 1 und 4) ist aber der Empfindungseffekt einer kreisförmigen Schwingung von der Amplitude a gleich dem Empfindungseffekte einer geradlinigen nicht von der Amplitude , sondern von der Amplitude 2 a; und es können überhaupt bei gleicher lebendiger Kraft der Schwingungen verschieden große Empfindungseffekte, je nach der verschiedenen Form der Schwingungen, entstehen, indes, so viel bis jetzt bekannt, eine gleiche lebendige Kraft von Lichtschwingungen bei gleicher Dauer und verschiedener Form einen gleichen Empfindungseffekt gewährt.

6) Dies findet sich, wenn man die lebendige Kraft, welche während einer Schwingung von der Dauer t entwickelt wird, nach der Formel

bestimmt, und dabei für v die S. 212 angegebenen Werte substituiert. Man erhält so für die geradlinige Schwingung , für die kreisförmige .
      Denken wir zuvörderst an eine Modifikation der Theorie, welche zur Hebung dieser Schwierigkeit möglicherweise nötig sein könnte, so ließe sich, allgemein gesprochen, wohl denken, daß die Voraussetzungen, auf die sich die Theorie in der Konstruktion des Empfindungseffektes geradliniger und kreisförmiger Schwingungen insbesondere stützte, in soweit triftig wären, daß für jede Form das richtige Abbängigkeitsverhältnis von a und n herauskäme, und nur eine Voraussetzung richtig wäre, welche zur Verknüpfung beider Effekte nötig ist. In der Tat bedarf es hierzu einer gewissen Voraussetzung; und zwar ist, um die Wirkung verschieden geformter Schwingungen mit einander in Beziehung zu setzen, die Voraussetzung gestellt worden, daß die Empfindung von der Geschwindigkeit in gleicher Weise abhänge, mag dieselbe eine konstante Richtung im Raume behalten, wie bei geradlinigen Schwingungen, oder ihre Richtung kontinuierlich ändern, wie bei kreisförmigen Schwingungen. Diese Voraussetzung ist nicht nur die einfachste, sondern scheint mir auch jetzt noch die wahrscheinlichste, wie denn auch bei Berechnung der lebendigen Kraft der Schwingungen nicht auf eine geänderte Richtung derselben Rücksicht genommen wird, aber sie ist keine an sich evidente, und wenn sich zur Verknüpfung der Tatsachen eine andere nötig und hinreichend zeigen sollte, so würde sie zu machen sein. Nur gestehe ich, daß es mir nicht geglückt ist, eine solche zufinden, welche zugleich rationell und den Tatsachen entsprechend erschiene; eben so wenig vermöchte ich durch eine Substitution von v für v etwas zu gewinnen; und ich halte es dafür für wahrscheinlicher, daß die Abweichung zwischen Theorie und Erfahrung hier nicht an einem Fehler der Theorie, sondern einer fehlenden Korrespondenz zwischen der Form der äußeren und inneren Bewegung liegt.

    In der Tat liegt gar kein physikalisches oder physiologisches Prinzip vor, welches uns überhaupt in irgend einem Falle eine unveränderte Übertragung der Schwingungsform aus dem Äußeren ins Innere verbürgte; und auch bei Tönen wird es nicht anzunehmen sein. So sehen wir die Schwingungsform des streichenden Violinbogens sich keineswegs unverändert in eine entsprechende der schwingenden Saite übersetzen; und fände sich eine Saite schon in Bewegung, so würde das Antreffen einer geradlinigen Schwingung nur in dem einzigen Falle wieder eine geradlinige Schwingung in derselben Richtung erzeugen, wenn die Bewegungsrichtung der Saite mit der der Schwingung zusammenfiele; sonst würde die Bewegung im Allgemeinen elliptisch, oder kreisförmig, oder geradlinig mit abgeänderter Richtung werden. Unsere Nerven, namentlich Sehnerven, sind aber schon ohne äußeren Reiz in gewisser Weise tätig und insofern einer bewegten Saite vergleichbar. Also wird auch die durch den Lichtreiz erweckte Bewegung nur abändernd in die schon vorhandene eingreifen können.

    Wenn nun ein zirkulär polarisierter Strahl mit der Amplitude a einen gleichen Effekt bezüglich der Lichtempfindung äußert, als ein geradlinig polarisierter von der Amplitude , so heißt dies meines Erachtens nichts Anderes, als, derselbe äußert einen der Größe nach äquivalenten physischen Impuls in Betreff der Hervorrufung derjenigen Art innerer Bewegungen, auf denen die Lichtempfindung beruht; und überhaupt, wenn Strahlen mit verschiedenen Schwingungsformen nach den Interferenzgesetzen äquivalent wirken, so gilt diese Äquivalenz immer nur für den physischen Impuls, den der Nerv zur Erzeugung der ihm eigentümlichen Bewegungsformen empfängt, ohne daß damit gesagt ist, daß diese Formen sich nach denen des erregenden Strahles richten.

    Diese Annahme genügt vollständig, alle Abweichungen zu decken, die man etwa zwischen den Resultaten unseres Prinzips und denen der Interferenzformeln finden könnte.

    Hiernach wende ich mich zu einigen anderen Punkten von allgemeiner Wichtigkeit.

    Nach den Eingangs gepflogenen Erörterungen knüpft sich das Quantitative der Empfindung an das Quantitative dessen, an dessen Verknüpfungsweise die Qualität der Empfindung hängt. Insofern es sich nun bei dieser Verknüpfung darum handelt, ob sich gleiche oder ungleiche Bewegungsmomente folgen, und nach welchem Gesetze, welcher Funktion der Zeit sie sich folgen, scheint es eine Schwierigkeit zu machen, daß wir die gegenwärtige Empfindung durch eine Reihe von Momenten, die nicht in die Gegenwart fallen, mitbestimmt halten müssen, indem in den Moment der Gegenwart doch nur ein Schwingungsmoment auf einmal fallen kann.

    Diese Schwierigkeit kann inzwischen nur eine Schwierigkeit der Vorstellung sein und wird durch die Unmöglichkeit überboten, die Qualität der Empfindungen von einzelnen Bewegungsmomenten abhängig zu machen. Denn hiermit würde sich weder die Konstanz der Empfindung im Laufe einer Schwingung, wo sich die Bewegungsmomente kontinuierlich ändern, noch die Verschiedenheit der Empfindungen, sofern alle Bewegungen doch gleichartige Bewegungsmomente nur in verschiedener Zusammensetzung enthalten, erklären lassen. Unstreitig ist das Gefühl der Gegenwart selbst schon psychophysisch durch eine gewisse Folge von Momenten fundiert, oder faßt die Seele in diesem Gefühle eine physische Zeitfolge zusammen und verknüpft hiermit das Gefühl des Momentes schon mehrere wirkliche Zeitmomente. Die Seele, kann man sagen, erfüllt überhaupt mit ihrer Tätigkeit die Zeit, wie der Körper durch seine Ausdehnung den Raum; oder psychophysisch, die Form und Größe der Seelentätigkeit ist eine verknüpfende Funktion dessen, was in sukzessiven Zeitelementen geschieht, wie die Form und Größe des Körpers eine verknüpfende Funktion dessen, was in juxtaponierte Raumelemente fällt; und es liegt im Begriffe der Zeitextension an sich nichts, was hinderte, ihr diese analoge Stellung psychischerseits, wie dem Raume physischerseits beizulegen. Faktisch ist alles Sukzessive in unserer Seele in einer Einheit des Bewußtseins verknüpft, was keinesfalls an einzelnen Momenten hängen kann, sondern notwendig als eine verknüpfende Funktion dessen, was in die Sukzession fällt, anzusehen ist. Muß aber dies für die ganze Bewußtseinseinheit durch die ganze Lebensdauer zugestanden werden, so hindert nichts, es ist vielmehr nur konsequent, es auch für eine Empfindungseinheit in kleineren Zeitstrecken zuzugestehen, und es verschlägt nichts, daß wir uns dies nicht in der Vorstellung deutlich machen können, weil die Vorstellung selbst schon eine Zusammenfassung mehrerer Momente voraussetzt, und zerfallen müßte, um ihrer Zusammensetzungsweise zu gewahren.

    Will man, so kann man auch sagen: jedes Moment einer Schwingung hinterläßt eine Nachwirkung in der Seele, und indem alle Momente eine solche Nachwirkung hinterlassen, entsteht eine zusammengesetzte Nachwirkung, welche die Empfindung gibt. Nur sagt man dann mit anderen Worten bloß eben dasselbe, was wir sagen, wenn wir sagen, daß die Seele mit der Wirkung der gegenwärtigen Momente zugleich die der früheren zusammenfasse; es kann aber für manche Auffassungsweisen der Natur der Seele bequemer sein, sich der einen als der anderen Ausdrucksweise zu bedienen, worüber wir nicht streiten.

    Inzwischen könnte man auch geneigt sein, dem vorigen sächlichen Verhältnisse ein anderes zu substituieren, was aber meines Erachtens vielmehr damit zu verbinden ist, indem diese Verbindung Schwierigkeiten hebt, welche übrig bleiben möchten, wenn man sich an das vorige allein halten wollte, aber andere und wohl größere Schwierigkeiten einführen würden, wenn man es demselben substituieren wollte.

    Unsere Seele verknüpft doch nicht bloß Sukzessives, sondern auch Gleichzeitiges, wenn schon in anderem Sinne. Alles, was in unserem psychophysischen Systeme gleichzeitig zur Begründung von Bewußtseinsphänomenen wirkt, und das ist unstreitig ein großer Zusammenhang von Bewegungen, gibt so gut eine psychisch einheitliche Bewußtseinsresultante, als die zeitliche Aufeinanderfolge dieser Bewegungen, und alle Momente, die während der Dauer der Schwingung eines Teilchens sukzessiv in Nerv oder Gehirn auftreten, treten innerhalb der Länge einer Undulation gleichzeitig an der Reihe der in der Undulationslänge begriffenen Teilchen auf und tragen solidarisch bei, die Empfindung zu geben, da ja ihre Leistung dabei faktisch nicht unterschieden werden kann.

    Hiernach schiene die Schwierigkeit, welche für die Vorstellung besteht, die Bildung einer Empfindung von bestimmtem Charakter auf eine Zusammensetzung sukzessiver Momente zu begründen, ganz einfach dadurch gehoben werden zu können, daß man sie, statt vom Sukzessiven, vom Gleichzeitigen abhängig macht, sofern Dasjenige, was der Mehrheit der Teilchen gleichzeitig begegnet, dem entspricht, was demselben Teilchen sukzessiv begegnet, nur daß es dort räumlich, hier zeitlich expliziert ist. Wir würden daher auch dieselben Formeln, die wir durch eine zeitliche Summation gefunden haben, durch eine räumliche Summation wiederfinden müssen.

    Inzwischen ist hiergegen erstens zu bemerken, daß, nachdem die Verknüpfung des Sukzessiven in einem einheitlichen Bewußtsein doch Tatsache bleibt, und nur die solidarische Berücksichtigung dieser Verknüpfung des Sukzessiven mit der des Gleichzeitigen das Seelenleben im Ganzen repräsentieren läßt, kein Grund ist, für die spezialen Bewußtseinsphänomene bloß die Verknüpfung des Gleichzeitigen in Betracht zu nehmen. Dazu kommt, daß der volle Ersatz der sukzessiven Bewegungsmomente durch gleichzeitige in unserem Falle streng doch nur möglich sein würde, wenn man die Materie den Raum eben so kontinuierlich erfüllend denken könnte, als ein Teilchen mit seiner Bewegung die Zeit erfüllt. Aber die exakte Wissenschaft hat guten Grund, die atomistische Ansicht vorzuziehen, wonach es nicht möglich ist, daß in der Länge einer und selbst noch so vieler Undulationen wirklich alle Bewegungszustände, die im Laufe einer Schwingung an demselben Teilchen sukzessiv vorkommen, gleichzeitig sich vorfinden, wenn schon sie einander so nahe liegen können, daß man für eine approximative Rechnung die Diskontinuität durch Kontinuität ersetzt denken kann. Aber es scheint mir sehr mißlich, Grundvorstellungen auf Approximationen zu begründen und, wenn doch einmal eine Kreisfunktion den genauen Ausdruck für die Bewegung enthält, an die sich eine Empfindung knüpft, den Kreis in Wirklichkeit durch eine noch so große endliche Zahl diskontinuierlicher Punkte ersetzt denken zu wollen, worauf die betreffende Ansicht hinauslaufen würde. Ich meine vielmehr, daß, sofern eine kontinuierliche Funktion den strengen Ausdruck für die betreffende Bewegung gewährt, und diese kontinuierliche Funktion sich an jedem Teilchen im Zeitlaufe darbietet, man auch prinzipiell die Betrachtung und Rechnung darauf zu stellen und sie nicht durch eine diskontinuierliche im Raume zu ersetzen hat, daß man also die Zeitsumme für jedes Teilchen zu nehmen hat, wie es von uns geschehen ist, diese Zeitsumme aber so oft zu nehmen hat, als es in derselben Weise schwingende Teilchen gibt, die zu derselben Empfindung solidarisch beitragen, d. i. mit der Zahl der Teilchen zu multiplizieren hat, was da, wo die Teilchen gleichmäßig durch den Raum s verbreitet, mithin der Zahl nach demselben proportional sind, darauf herauskommt, statt einer bloßen Zeitsumme St eine Zeitraumsumme Sts einzuführen, und in unseren Formeln statt des Faktors t den in diesem Sinne verstandenen Faktor st anzuwenden.

    Nach dieser Auffassung hängt die Intensität der Empfindung wesentlich mit von der Zahl der dazu beitragenden Teilchen ab, und es kann eine größere Amplitude der Schwingung durch eine größere Zahl Teilchen, die mit kleinerer Amplitude schwingen, ersetzt werden; wie auch in Betreff der Erzeugung der objektiven physischen Schallstärke ein stark tönendes Instrument durch eine Mehrheit schwach tönender von gleicher Beschaffenheit ersetzt werden kann, und selbst eine einzige angeschlagene große Glocke bei unsichtbar kleinen Bewegungen ihrer Teilchen nur darum so stark tönt, weil sehr viele Teilchen diese Bewegung vollziehen.

    Hierin liegt unstreitig eines der wichtigsten Mittel, mit den unsichtbar kleinen Bewegungen in unseren Nerven und Gehirn doch große psychische Leistungen hervorzubringen. Wenn bloß ein Nerventeilchen innerlich schwänge, so müßte es unstreitig in ungeheurer Amplitude schwingen, um den Glockenton in derselben Stärke wiederzugeben, in der wir ihn jetzt hören, wie es aber auch von jedem Glockenteilchen selbst gälte, sollte es den Ton in gleicher Stärke geben, als ihn die ganze Glocke gibt.

    Es scheint ein Wunder, daß unmerklich kleine Schwingungen in unseren Nerven als Kanonendonner, Heulen des Sturmes u. s. w. in unserer Seele wiederklingen können. Zum Teil erklärt es sich, in soweit hier überhaupt Erklärung möglich ist, daraus, daß die Wirkung der schwingenden Nerventeilchen für die Empfindung nicht durch einen, dem Quadrate der Entfernung von uns reziproken, Faktor geschwächt ist, da sie in keiner Entfernung von uns sind, sondern dem empfindenden Organe selbst angehören. Aber zum Teil erklärt es sich auch daraus, daß es viele Teilchen sind, die zu derselben Empfindungsleistung beitragen.

    Nun kann man fragen, ob sich eine Empfindungsgröße mit geringerem Aufwande physischer Mittel, d. i. geringerer lebendiger Kraft, auf einen gegebenen Grad steigern läßt, wenn man die Zahl der schwingenden Teilchen oder wenn man die Amplitude vergrößert. In dieser Hinsicht mögen dieselben Formeln maßgebend sein, welche im 21. Kapitel bezüglich Verteilung und Konzentrierung des Empfindungsreizes auf mehr oder weniger Punkte entwickelt sind, indem die Verteilung des Empfindungsreizes auf eine größere Zahl Punkte des empfindenden Organs selbst eben nichts Anderes als eine größere Anzahl zur Empfindung beitragender psychophysisch tätiger Punkte repräsentiert. Nur daß es freilich nicht selbstverständlich und bis jetzt nicht erwiesen ist, daß die Größe der intensiven Empfindungsresultate, zu welcher eine Anzahl nicht diskret empfindender Punkte zusammenwirken, durch die Zahl und Tätigkeitsgröße dieser Punkte in derselben Weise bestimmt wird, als die Größe der extensiv explizierten Empfindungssumme, welche von einer Anzahl diskret empfindender Punkte geliefert wird, auf welchen Fall sich jene Formeln eigentlich bezogen; indes es von der anderen Seite aber auch sehr wohl denkbar ist, daß der Fall der diskret und der nicht diskret empfindenden Punkte sich eben bloß darin unterscheidet, daß dieselbe Empfindungsgröße einesfalls sich extensiv expliziert, die sich andernfalls intensiv summiert.

    Wenn schon der Schall, den eine Glocke gibt, objektiv als aus dem Schalle, den die Teilchen der Glocke geben, summiert angesehen werden kann, so ist doch zu berücksichtigen, daß die Teilchen einzeln in die Bewegung gar nicht hätten geraten können, in die sie vermöge ihres Zusammenhanges zu geraten vermögen. Entsprechend wird es sein in unserem psychophysischen Systeme. Ein Teilchen allein vermöchte sich überhaupt nicht in einer anderen als gleichförmigen Bewegung zu erhalten; damit ein Schwingungszustand entstehe und sich erhalte, müssen mehrere Teilchen sich durch Wechselwirkung dazu bestimmen, und hiermit hängt unstreitig auch das solidarische Zusammenwirken der Teilchen zu derselben Empfindung zusammen, soweit es in unserem psychophysischen Systeme besteht. Nun aber können verschiedene Fälle eintreten. Entweder alle Teile des Systems, die zu einer Empfindung solidarisch zusammenwirken, vollziehen Bewegungen gleicher Art, nur daß sie sich zu derselben Zeit in verschiedenen Phasen derselben Bewegungsform finden, wie es in der Außenwelt bei der Fortpflanzung des Lichtes, des Schalls in gleichförmigen Medien ist und wie ich voraussetze, daß es mit den Bewegungen ist, von welchen die Empfindung des Schalls in uns abhängt, weil es wirklich möglich ist, diese Empfindung von der Wiederholung der Bewegungsform schon eines einzelnen Teilchens abhängig darzustellen, ohne daß damit gesagt ist, daß das Teilchen diese Bewegungsform auch als einzelnes würde haben annehmen können. Oder es gehört zum Zustandekommen der Empfindung ein solidarisches Zusammenwirken von Teilchen mit Bewegungen verschiedener Art, und es steht uns frei, hieran bei solchen Empfindungen zu denken, wo jene einfache Voraussetzung nicht mehr genügt.

    Alle im Vorigen entwickelten Formeln gewähren nur Maßausdrücke für die quantitative Seite der Empfindung, ohne über die Qualität etwas auszusagen, so daß gleiche Maßwerte bei verschiedenen Bewegungsformen deshalb noch nicht gleiche Empfindungen, sondern nur gleiche quantitative Werte dieser Empfindungen bedeuten. Unstreitig ist vorauszusetzen und schon früher bemerkt, daß die Form der Empfindungen an der Form der Funktion hängt, wodurch die Bewegungsmomente verknüpft werden, die zur Empfindung beitragen; aber indem jene Formeln das quantitative Fazit für die ganze Folge von Bewegungsmomenten ziehen, an welche sich die Empfindung knüpft, geht die Bezeichnung der Verknüpfungsweise dieser Bewegungsmomente darin verloren, und es ist vielmehr die Form der Funktion von t, welche das in die Elementarformel eingehende v darstellt, als Ausdruck der Bewegungsform anzusehen, wodurch die Empfindungsform bestimmt wird.

    So ist die Qualität der Empfindung, die sich an eine einfache geradlinige Schwingung knüpft, nicht zugleich mit der Quantität durch den Ausdruck

auf den wir definitiv gekommen sind, als gegeben anzusehen, wohl aber durch den Ausdruck

    In letzter tritt die Zerlegbarkeit in drei Momente, ein von a, ein von t und ein von der periodischen Wiederkehr derselben Bewegungsmomente abhängiges Moment hervor, indes das letzte Momente im ersten Ausdrucke untergegangen ist.

    Ein Umstand, der in gewisser Weise direkt dafür zu sprechen scheinen könnte, daß der Empfindungsbeitrag im Sinne der Elementarformel vielmehr von der Geschwindigkeit zweiter Ordnung v als erster Ordnung v abhängig zu machen, ist folgender: Man weiß, daß ein bloßes Durchströmen von Elektrizität durch die Organe keine oder bei weitem weniger auffällige Empfindungserscheinungen hervorbringt, als die Abänderung der Stromstärke und namentlich als der Eintritt und Austritt der Strömung, welche als die stärksten und schnellsten Abänderungen der Stromstärke respektiv in Zunahme und Abnahme angesehen werden können, und daß es überhaupt hierbei wesentlich auf die Schnelligkeit der Zunahme oder Abnahme des elektrischen Stromes, kurz auf die Größe der Geschwindigkeit zweiter Ordnung ankommt7). Allerdings schweigt die Empfindung im Allgemeinen nicht ganz während des Geschlossenseins der Kette; aber es ist sehr wohl möglich, diese in mäßigem Grade fortdauernden Empfindungen von demselben Prinzipe abhängig zu machen, als die stärkeren beim Eintritte und Austritte der Strömung. Denn es ist zu berücksichtigen, daß die periodischen Schwankungen innerhalb des Organismus, die schon der Puls des Blutlaufes mitführen muß, unstreitig auch in der durchströmenden Elektrizität beständige Schwankungen erzeugen, und umgekehrt dadurch irgendwie abgeändert werden müssen. Bei Schluß der Kette am Auge sieht man nicht bloß einen Blitz im Momente des Schließens, sondern auch eine schwache Lichterscheinung während der Dauer des Geschlossenseins. Aber wir haben uns zu erinnern, daß man ja sogar schon ohne elektrischen Reiz eine dauernde Gesichtsempfindung im Auge hat, das Augenschwarz, das zuweilen selbst in lebhafte Gesichtserscheinungen umschlägt. So gut nun unter Einwirkung eines konstanten Luftstromes die Zunge einer Zungenpfeife, die an sich der Schwingung fähig ist, in dauernde Schwingung versetzt werden kann, wird auch unter Einwirkung eines konstanten elektrischen Reizes eine Schwingung in dem dazu geeigneten Sehapparate unterhalten werden können, welche Veränderungen der Geschwindigkeit in sich einschließt.

7) Vgl. Dubois Unters. Bd. I. S. 258 ff.
 
    Inzwischen scheint mir durch jene Tatsache nur gegen die ohnehin nicht statuierbare Möglichkeit entschieden zu werden, den Empfindungsbeitrag von einer absoluten Geschwindigkeit erster Ordnung abhängig zu machen, aber nicht gegen die Abhängigkeit von einer relativen Geschwindigkeit erster Ordnung. Unstreitig kommen für die inneren Empfindungen jedes psychophysischen Systems, wie unseres Nervensystems, bloß relative Bewegungen seiner Teile und mithin auch nur relative Geschwindigkeiten in Betracht. Sonst müßten, wenn der Mensch sich mit der Erde bald langsamer, bald schneller um die Sonne bewegt, nach den Veränderungen der Geschwindigkeit, sei es erster oder zweiter, welche hierbei eintreten, auch Änderungen seines psychischen Zustandes eintreten. Wenn nun die galvanische Strömung gleichförmig wird, so hört hiermit freilich die Beschleunigung und Verzögerung der Teilchen, aber zugleich auch die relative Bewegung derselben gegen einander auf; indes beim Eintritte und Austritte und jeder Veränderung der Strömung, die doch immer von gewissen Punkten aus angeregt wird, relative Geschwindigkeiten eintreten, bis die Geschwindigkeit aller Teilchen sich ausgeglichen hat. Übrigens bleibt immer zuzugestehen, daß die Erfahrung noch nicht zwischen v und v entschieden hat und die Frage im Grunde noch schwebt.

Wenn die Elementarformel  oder  sich für die Bewegungen in unserem Nervensysteme allgemein zulänglich zeigen sollte, so würde damit doch noch nicht bewiesen sein, daß von jedem v oder v in der Welt ein Empfindungsbeitrag im Sinne dieser Formel abhinge, indem dazu möglicherweise noch Vorbedingungen oder Mitbedingungen erforderlich sein könnten, wie sie in unserem Nervensysteme vorhanden sein, aber anderwärts fehlen könnten, während man von der anderen Seite natürlich darauf, daß wir keine Empfindungen von Bewegungen außerhalb unseres Nervensystems haben, noch keinen Erfahrungsbeweis gründen kann, daß sie außer uns fehlen, und daß Empfindungen überhaupt nur mittelst eines Nervensystems möglich sind. Diese Möglichkeiten ausführlich zu diskutieren, ist hier nicht der Ort und würde keinen bestimmten Erfolg haben. Nur folgenden Punktes wird zu gedenken sein.

    Wir würden uns nicht wohl denken können, daß eine Gesichtsempfindung, Gehörsempfindung so zu sagen im Leeren schwebte, d. h. ohne ein allgemeineres Bewußtsein existierte, das dieselbe hätte. Und so liegt es auch nahe, zu glauben, daß eine einfache Schwingungsbewegung nur insofern Empfindung erwecken kann, als sie in ein allgemeineres System von Bewegungen eingreift, wie das ist, welches unser allgemeines Bewußtsein trägt, und im Leeren schwebend auch keine Empfindung erwecken könnte. Nur daß sie im Leeren auch nicht existieren könnte, da zu ihrer Entstehung selbst schon ein Zusammenhang, eine Wechselwirkung von Teilen gehört, deren Bewegungen im Zusammenhange erfolgen.

    Wie dem auch sei, so ist unser Bewußtsein während des Wachens, abgesehen von äußeren Reizen, tätig, was eine von äußeren Reizen unabhängige psychophysische Tätigkeit in uns voraussetzt. Und wie sie auch beschaffen sei, so kann doch die Geschwindigkeit derselben für irgend einen dabei tätigen Punkt (nach irgend einer Richtung zerlegt) nach dem Fourier’schen Satze durch eine Reihe periodischer Glieder plus einer Konstante dargestellt werden. Sei ihr Wert V, und füge der Reiz den Wert v hinzu.

    Wenn es nun gälte, die Verhältnisse des Allgemeinbewußtseins zu bestimmen, ein Maß für dessen Intensität, sein Steigen über oder Sinken unter die Schwelle zu finden, so würde dies (in soweit wir die Bewegung bloß nach einer Richtung verfolgen) wahrscheinlich geschehen können, wenn wir V + v statt wie früher bloß v in die Elementarformel substituierten, und integrierten. Es ließe sich nicht a priori beweisen, daß zur Erlangung des Maßausdruckes für die Empfindung, welche sich an v insbesondere knüpft, v abgesondert von V behandelt werden kann; sondern nur der Erfolg dieser Behandlung lehrt es. Wir haben in der Ableitung unserer Formeln es so angesehen, als wenn v allein bestände, haben auf V nicht Rücksicht genommen, und sind dadurch zu Ergebnissen gelangt, welche der Erfahrung entsprechen.