Beilage XVI.

Zu Seite 308 und 327.

Es seien a, b, c, d, e, f, g, h ganze Zahlen. Die Schwingungszahlen zweier zugleich angegebener Klänge seien an und bn + d , wo d als sehr klein gegen n vorausgesetzt wird, und a und b die kleinsten ganzen Zahlen sind, in denen das Verhältnis a:b ausgedrückt werden kann. Die Schwingungszahlen je zweier Obertöne dieser Klänge werden sein:

a c n und b d n + dd . Diese werden mit einander Schwebungen geben, deren Anzahl dd ist, wenn: a c = b d oder Da das Verhältnis  in kleinsten Zahlen ausgedrückt sein soll, werden d und c keine kleineren Werte haben können, als: d = a c = b, die übrigen Werte sind: d = h a c = h b. Nun bedeuten c und d die Ordnungszahlen der Teiltöne, welche Schwebungen mit einander geben; die niedrigsten Teiltöne dieser Art werden also sein der bte Ton des Klanges a n, und der ate Ton des Klanges (b n + d ). Die Zahl der Schwebungen, welche diese beiden geben, ist a d.

Ebenso geben der 2bte Teilton des ersten und der 2ate des zweiten, Klanges 2ad Schwebungen etc.

Die beiden Obertöne

a c n und b d n + dd geben den Kombinationston (ersten Differenzton) ± [(b d - a c) n + d d], wobei das Vorzeichen so zu wählen ist, daß der Wert des ganzen Ausdrucks positiv wird.

Zwei andere Obertöne (f a n) und (g b n + g d) geben den Kombinationston

± [(g b - a f ) n + g d ]. Beide zusammenklingend werden ( g ± d ) dSchwebungen geben, wenn bd - a c = ± [g b - a f ] oder Wie vorher folgt, daß der kleinste Wert von g ± d = a ist, die übrigen größeren = h a, also die kleinste Anzahl der Schwebungen a d .

Um die niedrigsten Werte der Obertöne zu finden, welche vorhanden sein müssen, um mit Hilfe der ersten Differenztöne Schwebungen zu geben, wählen wir für c und d das untere Zeichen, wir erhalten dann:

oder  oder 

oder  oder 

je nachdem a und b gerade oder ungerade Zahlen sind. Ist b die größere Zahl, so ist  oder  die Anzahl von Teiltönen, welche jeder Klang haben muß, um die Schwebungen des Intervalls zu geben, während ohne Berücksichtigung der Kombinationstöne etwa die doppelte Anzahl, nämlich b, nötig ist.

Wenn einfache Töne zusammenkommen, rühren die Schwebungen von den Kombinationstönen höherer Ordnung her. Der allgemeine Ausdruck für einen Differenzton höherer Ordnung zweier Töne von den Schwingungszahlen n und m ist ±[a nb m ], und zwar ist dieser Ton dann von der ( a + b – 1)ten Ordnung. Die Schwingungszahl eines Kombinationstones ( c + d - 1)ter Ordnung der Töne a n und [bn + d ] sei:

± [(b d - c a) × n + d d ] und eines anderen von (f + g - 1)ter Ordnung: ± [(gb - fa) × n + gd], beide geben ( g ± d) d Schwebungen, wenn bd - ac = ± [bg - af ] oder

.

Die niedrigste Anzahl der Schwebungen ist also wieder a d, die niedrigsten Werte von c, d, f, g finden sich im vorigen Falle, so daß die Ordnungszahlen der Kombinationstöne nicht größer zu werden brauchen als, wenn a und b ungerade sind, oder , wenn eines von ihnen gerade ist.

Über die Entstehungsweise der Kombinationstöne will ich hier zu dem im siebenten Abschnitte Bemerkten noch Folgendes hinzufügen:

Kombinationstöne müssen erstens überall entstehen, wo die Entfernung der schwingenden Teile ans ihrer Gleichgewichtslage so groß wird, daß die Kraft, welche sie zurückzuführen strebt, nicht mehr einfach jener Entfernung proportional ist. Die mathematische Theorie dieses Falles für einen schwingenden Massenpunkt ist oben in Beilage XII gegeben. Dasselbe ist der Fall für Luftschwingungen von endlicher Größe; die Grundzüge der Theorie sind angegeben in meinem Aufsatze über Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden, Crelle's Journal für Mathematik, Bd. LVII, S. 14. (Wiss. Abh. Bd. I, S. 303.) Ich will hier aber noch auf einen dritten Fall aufmerksam machen, wo Kombinationstöne auch bei unendlich kleinen Schwingungen entstehen können, was oben (S. 259 bis 261) schon erwähnt ist. Es ist das der Fall der Sirenen und des Harmonium. Wir haben hier Öffnungen, deren Weite periodisch wechselt, (und haben auf der einen Seite Luft unter größerem Druck als auf der anderen. Da es sich hier immer nur um sehr kleine Druckunterschiede handelt, werden wir annehmen dürfen, daß die Masse q der entweichenden Luft proportional sei der Größe der Öffnung w und dem Druckunterschiede p, also

q = c w p, wo c eine Konstante. Setzen wir nun für w die einfachste periodische Funktion, welche einen wechselnden Schluß und Öffnung ausdrückt, nämlich: w = A [l - sin 2 pn t] und setzen p als konstant, indem wir annehmen, daß wso klein und der Luftzufluß so reichlich sei, daß der periodische Verlust durch die Öffnung den Druck nicht wesentlich ändert, so wird q von der Form q = B [1 - sin 2 p n t]

B = c A p.

Dann wird auch die Geschwindigkeit der Schallbewegung an einer beliebigen Stelle des Luftraumes von ähnlicher Form sein müssen, so daß nur ein Ton von der Schwingungszahl n entsteht. Wenn nun aber eine zweite größere Öffnung von wechselnder Weite vorhanden ist, durch welche ein hinreichender Verlust an Luft stattfindet, daß der Druck p selbst nicht mehr konstant ist, sondern periodisch wechselt, in dem Maße als durch die andere Öffnung Luft ausfließt, wenn also der Druck von der Form ist: p = P [l - sin 2 pm t], so wird q werden: q = c A P [1 - sin 2 p n t] [1 - sin 2 pn t]

= c A P [l - sin 2 p n t - sin 2 p m t - 1/2 cos 2 p (m + n) t

+ 1/2 cos 2 p(m - n) t];

es werden also außer den primären Tönen n und m auch noch die Töne m + n und m - n, d. h. die beiden Kombinationstöne erster Ordnung existieren.

In Wirklichkeit werden nun die Gleichungen immer viel komplizierter werden, als ich sie hier: hingestellt habe, um den Vorgang in seiner einfachsten Gestalt darzustellen. Es wird der Ton n ebenso gut Einfluß auf den Druck p haben wie m, ja sogar die Kombinationstöne werden p verändern, endlich wird meistens die Größe der Öffnung nicht durch eine so einfache periodische Funktion, wie wir für w angenommen haben, ausgedrückt werden können. Dadurch muß denn bewirkt werden, daß außer den Tönen m, n, m + n, m - n auch ihre Obertöne und die Kombinationstöne ihrer Obertöne zum Vorschein kommen, wie es bei den Versuchen auch beobachtet werden kann. Die vollständige Theorie eines solchen Falles wird außerordentlich kompliziert, es möge daher die des genannten einfachen Falles genügen, an dem das Wesen des Vorganges wenigstens klar wird.

Einen anderen Versuch, dessen Erklärung ähnlich ist, will ich hier noch erwähnen. Der untere Kasten meiner Doppelsirene klingt stark mit, wenn die Gabel a' vor seine untere Öffnung gehalten wird, und die Löcher alle gedeckt sind, nicht aber, wenn die Löcher einer Reihe offen sind. Läßt man nun die Sirenenscheibe rotieren, so daß die Löcher abwechselnd. offen und gedeckt sind, so erhält man eine Resonanz der Stimmgabel von periodisch wechselnder Stärke. Ist n die Schwingungszahl der Gabel, m die Zahl, welche angibt, wie oft ein einzelnes Loch des Kastens geöffnet wird, so ist die Stärke der Resonanz eine periodische Funktion der Zeit, also im einfachsten Falle zu setzen gleich

l - sin 2 pm t, Die Schwingungsbewegung der Luft erhält also dann die Form (l - sin 2 p m t) sin 2 p n t = sin 2 p n t + 1/2 cos 2 p(m + n) t

- 1/2 cos 2 p (n - m) t

und man hört deshalb außer dem Tone n auch noch die Töne m +n und n - m. Dreht sich die Sirenenscheibe langsam, so ist m sehr klein, und die genannten Töne sind einander sehr nahe, so daß sie Schwebungen geben. Bei rascher Drehung dagegen trennt sie das Ohr.