Beilage IX.

Phasen der durch Resonanz entstandenen Wellen.

Zu Seite 202.

Es sei eine Stimmgabel der Mündung einer Resonanzröhre genähert, und das Ohr des Hörenden befinde sich in einer gegen die Dimensionen der Öffnung sehr großen Entfernung von der Röhre. Ich habe bewiesen1), daß wenn ein tönender Punkt sich im Punkte B eines teilweise von festen Wänden begrenzten, teilweise unbegrenzten Raumes befindet, die Schallbewegung in einem anderen Punkte A desselben Raumes der Intensität und Phase nach dieselbe ist, als sie in B sein würde, wenn sich der tönende Punkt in A befände. B sei der Ort der Stimmgabel (oder genauer des Endes einer ihrer Zinken), A der des Ohres. Die Bewegung der Luft, welche eintritt, wenn sich die Stimmgabel nahe vor der Öffnung befindet, läßt sich nicht wohl bestimmen, wohl aber habe ich (S. 47 und 48 der zitierten Abhandlung) die Bewegung bestimmt für den Fall, wo die Stimmgabel in großer Entfernung ist. Denken wir uns also die Gabel an den Ort des Ohres nach A gebracht, so haben wir die Schallbewegung an dem Punkte B nahe der Mündung zu bestimmen. Diese Schallbewegung ist aus zwei Teilen zusammengesetzt, der eine Teil, dessen Potential dort mit Fbezeichnet ist, entspricht der Bewegung, welche auch bei geschlossener Mündung der Resonanzröhre vorhanden sein würde, und ist in dem vorliegenden Falle zu klein, um wahrgenommen zu werden; der andere Teil, mit Y bezeichnet, hat nach den dort angewendeten Bezeichnungen im freien Raume und in einiger Entfernung von der Öffnung den Wert [S. 38 Gleichung (12h)]:

..............................................................(1) (Q der Querschnitt der Röhre, r die Entfernung vom Mittelpunkt ihrer Öffnung, n die Schwingungszahl,  die Wellenlänge). Die Bewegung in unendlich kleiner Entfernung r vom tönenden Punkte A ist gegeben durch die Gleichung: ......................................................................(2) und es ist, wenn wir unter r1 die Entfernung des imaginären tönenden Punktes A vom Mittelpunkt der Röhrenmündung verstehen, nach (16c) und (13a) der zitierten Abhandlung: .................................(2a) (l Länge der Röhre, a eine Konstante, die von der Form ihrer Mündung abhängt) und endlich ist (16c, 13a) die dort I genannte Größe: woraus folgt

..................................................(3)
 
 

1) Journal für reine und angewandte Mathematik, Bd. LVII, S. l bis 72. Wiss. Abh. Bd. I, S. 303 bis 382. Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden. §. 5.
 
 

Das ± Zeichen werde so bestimmt, daß die Konstanten A und H gleiches Zeichen bekommen, dann muß t2 zwischen 0 und p liegen.

Hier ist die Stärke der Resonanz A ausgedrückt durch die Intensität des tönenden Punktes H, den Querschnitt der Resonanzröhre Q, die Entfernung r1 des tönenden Punktes von deren Mündung und die Größe r2. Der Phasenunterschied zwischen den Punkten A und B ist nach Gleichung (l), (2) und (2 a):

p - kr + c = p - kr - kr1 - t2. Die Grosse krkann aber bei den Entfernungen des Punktes B von der Mitte der Öffnung, die wir anwenden können, als verschwindend klein betrachtet werden, so daß bei der Schwächung des Tons, die wir durch Entfernung der Stimmgabel von der Mündung der Röhre erreichen, die Phase nicht merklich geändert wird. Wenn wir dagegen die Stimmung der Röhre verändern, so wird in dem Ausdruck für die Phase nur die Größe t2, welche von kl nach Gleichung (2a) abhängig ist, geändert, und dem entspricht immer auch eine Änderung in der Stärke der Resonanz, da in deren Ausdruck in Gleichung (3) sin t2 als Faktor vorkommt. Die stärkste Resonanz tritt ein, wenn sin t2 = 1, also t2 . Nennen wir dies Maximum der Resonanz A, so ist , und für andere Abstimmungen der Röhre, falls deren Querschnitt nicht geändert wird, . Ob der Winkel t2 kleiner oder größer als ein Rechter zu nehmen ist, bestimmt sich darnach, ob in Gleichung (2a) der Wert von positiv oder negativ ist. Da nun k, Q und cos k astets positiv sind, so hängt der Wert von tan t2 ab von dem Faktor . Wenn cos k (l + a) = 0, findet Maximum der Resonanz statt: wenn sin kl = 0, ein Minimum. Es ist also t2, wenn man durch Verlängerung der Röhre sich einem Minimum der Resonanz nähert, dagegen t2 wenn man sich einem Maximum nähert. Bei den Anwendungen ist die Röhre immer nahe einem Maximum der Resonanz, und also < , wenn die Röhre zu tief, und t2, wenn die Röhre zu hoch gestimmt ist.

Macht man durch Verstimmung der Röhre A2 = ½ A2, so ist die Veränderung der Schwingungsphase == . So kann man also die eingetretene Veränderung der Phase immer nach der Veränderung in der Stärke der Resonanz wenigstens abschätzen.

Ein ähnliches Gesetz findet statt für die Phasen der schwingenden Stimmgabeln verglichen mit denen des erregenden Stromes. Um die Betrachtung zu vereinfachen, will ich hier nur einen einzelnen schwingenden Massenpunkt betrachten, der durch eine elastische Kraft immer wieder in seine Gleichgewichtslage zurückgeführt wird. Wenn x die Entfernung des Massenpunktes aus seiner Gleichgewichtslage ist, sei — a2x die elastische Kraft. Es wirke ferner eine periodische Kraft ein, wie sie in unseren Versuchen durch die elektrischen Ströme hervorgebracht wird, deren Größe sei A sin nt, und eine die Schwingungen dämpfende Kraft, deren Größe der Geschwindigkeit proportional ist, also gleich . Eine solche entsteht bei unseren Versuchen teils durch die Reibung und den Luftwiderstand, namentlich aber durch die von der bewegten Stimmgabel induzierten Ströme, welche am meisten dazu beitragen, die Schwingungen zu dämpfen. Ist m die Masse des schwingenden Punktes, so ist also

................................................(4) Das vollständige Integral dieser Gleichung ist ............(4a) worin ....................................................................(4b) Das mit B multiplizierte Glied in der Gleichung (4a) ist nur im Anfange der Bewegung von Einfluß; wegen des Faktors  wird es bei wachsender Zeit t immer kleiner und kleiner, so daß es schließlich verschwindet. Seine Existenz im Anfange der Bewegung ist aber Schuld daran, daß die in Beilage VIII erwähnten vorübergehenden Schwebungen entstehen, wenn die Größe n wenig verschieden ist von . Das mit A multiplizierte Glied der Gleichung (4a) entspricht dagegen der dauernden Schwingung des Massenpunktes. Die lebendige Kraft i2 dieser Bewegung ist gleich dem Maximalwerte von , nämlich: .......................................................................(5) Wenn man nun die Tonhöhe des erregenden Tones, d. h. n sich verändern läßt, so erreicht i2 seinen Maximalwert, den wir mit I2 bezeichnen wollen, wenn sin2 e = l oder tan e = ± ¥ , wobei Wir können deshalb auch schreiben: i 2 = I 2 sin2 e ..........…………………………..... (5a) Dieselbe Größe e bestimmt also in Gleichung (4a) den Phasenunterschied zwischen den periodisch wechselnden Elongationen x der Masse und den wechselnden Werten der Kraft, sowie in Gleichung (5a) die Stärke der Resonanz.

Die Bedingung, daß tan e = ±¥ sei, wird nach (4b) erfüllt, wenn

a2 = m n2. Bezeichnen wir also den Wert von n, welcher dem Maximum des Mitschwingens entspricht, mit N, so ist ....................................................................................(5b) Dieser Ton stärkster Resonanz ist gleich dem Tone, welchen der betreffende Massenpunkt geben würde, wenn er nur unter dem Einfluß der elastischen Kraft ohne Reibung und ohne fremde Erregung in Schwingung gesetzt wäre. Davon ist etwas verschieden der Eigenton des Körpers, den er unter Einfluß der Reibung und des Luftwiderstandes gibt, dessen Tonhöhe v in dem zweiten Gliede der Gleichung (4a) gegeben ist: . Erst wenn b = 0 gesetzt wird, d. h. Reibung und Luftwiderstand verschwinden, wird . Nun ist in allen praktischen Fällen, wo wir das Phänomen des Mitschwingens beobachten, b verschwindend klein, so daß der Unterschied zwischen dem Tone stärkster Resonanz und dem Eigentone der schwingenden Körper vernachlässigt werden kann, wie dies auch im Texte geschehen ist. Es wird unter Einführung der Größe N die Gleichung (4b) ................................................................(4c) Wegen der auf Seite 248 erörterten Frage, wie die Membrana basilaris des Ohrs bei Geräuschen bewegt wird, interessiert uns noch das Integral einer Gleichung, in welcher an Stelle des A sin (nt) der Gleichung (4) eine willkürliche Funktion der Zeit yt, tritt. Man kann eine solche allerdings, wenn sie für sehr große positive und negative Werte der Zeit gleich Null wird, mittels des Fourier'schen Integrals auch in eine Summe (Integral) von Gliedern A sin (n t + c) verwandeln, und dann für jedes einzelne dieser Glieder die eben gefundene Lösung anwenden und schließlich wieder die Summe aller dieser Lösungen bilden. Aber diese Form der Lösung wird unübersichtlich, weil sie eine kontinuierliche Reihe von Tönen anzeigt, deren jeder von t = - ¥ bis t = + ¥ besteht. Wir müssen also einen andern Weg einschlagen.

Die zu integrierende Differentialgleichung ist:

.............................................................(5) worin x die gesuchte, y die gegebene Funktion der Zeit ist, letztere für jeden Wert von t als endlich vorausgesetzt.

Setze

............................................................(6) worin c eine Wurzel der Gleichung bezeichnet: ....................................................................(6a) das heißt ...........................................................(6b) was wir bezeichnen wollen als , indem wir den Koeffizienten der Dämpfung als klein genug annehmen, daß die Wurzelgröße, die wir mit ß bezeichnet haben, reell sei.

Es ist alsdann, wenn y eine kontinuierliche Funktion ist

......................................(6c)

..................(6d)

Multipliziert man (6) mit a2, (6c) mit b2, (6d) mit m und addiert, so erhält man mit Berücksichtigung von (6a) folgende Gleichung zwischen, den imaginären Teilen der betreffenden Ausdrücke: Setzen wir also , so ergibt Gleichung (6) einen Wert von x, der der Differentialgleichung (5) genügt, und für jeden Wert der Zeit endlich ist, nämlich
Das heißt x erscheint als eine Summe von superponierten erlöschenden Oszillationen, deren Anfangszeit s und deren Anfangsamplitude der Wert ist; und zwar gibt jeder dem Augenblick t vorausgegangene Augenblick seinen Beitrag. Dieser Beitrag verschwindet aber für diejenigen Teile der Bewegung, welche längere Zeit vor dem betrachteten Augenblick erregt worden sind, d. h. für die, bei denen der Exponent a (t - s) eine große Zahl ist, und die Bewegung hängt also in jedem Augenblick nur ab von denjenigen Kräften y, die kurz vorher eingewirkt haben.

Findet die Einwirkung der Kraft y nur während einer begrenzten Zeit von t0 bis t1 statt, so wird das x der Gleichung (6d) erst bis zur Zeit t0 gleich Null sein, dann von Null verschieden werden, und nach t1 wird die Bewegung die einfach erlöschender Schwingungen. Übrigens wird die Größe von x davon abhängen, wie oft große positive Werte von y mit großen positiven von sin(bt) zusammentreffen und negative mit negativen. Der Wert von x wird verhältnismäßig am größten werden, wenn y und sin(bt) ihr Zeichen nahehin gleichzeitig wechseln.

Hat yt, von der Zeit t = t0 zur Zeit t = t1 einen konstanten Wert p gehabt, so wird

, wenn man setzt k cos h = - a

k sin h = b

ferner

.

Wählt man für k den positiven Wert von , wird h ein stumpfer Winkel. Gibt man dem H das Vorzeichen des Druckes p, so hat der zwischen + und -  zunehmende Winkel e dasselbe Vorzeichen wie sin b (t1 — t0). Der Ausdruck für x stellt dann erlöschende Schwingungen dar, deren Anfangsamplitude, wenn wir die Dauer der Einwirkung t1 - t0 = tsetzen, den Wert hat , Dies ist für verschiedene Werte von t ein Maximum, wenn cos (bt+ h) = cos h × e-at, oder für kleine Werte von a und t , wenn bt annähernd eine ungerade Anzahl halber Schwingungsperioden des Eigentons umfaßt; für eine gerade Anzahl solcher Perioden dagegen ist H ein Minimum.

Nach lange fortgesetzter Einwirkung der Kraft p aber verschwinden die Exponentialfunktionen und H bekommt den konstanten Wert

. Für sehr kleine Werte von t dagegen können die Anfangsmaxima für bt= pden Wert erreichen . Wenn der Druck p sein Zeichen wechselt, so oft cos (bt ) es tut, so wird die Amplitude H nach n solchen Zeichenwechseln oder . Dieser Ausdruck zeigt die mit jedem Zeichenwechsel wachsende Verstärkung an, welche bei Übereinstimmung der Periode des Druckwechsels mit der Periode des Eigentons eintritt. Der Nenner (l – e -at) gibt die Größe der Dämpfung während einer halben Schwingungsperiode. Wenn diese sehr klein ist, so wird H schließlich sehr groß, endlich nach unendlich vielen Wiederholungen .