Neunter Abschnitt.

Tiefe und tiefste Töne.

Die Schwebungen geben uns ein wichtiges Mittel ab, die Grenze der tiefsten Töne zu bestimmen und über gewisse Eigentümlichkeiten des Übergangs von der Empfindung getrennter Luftstöße zu der eines ganz kontinuierlichen Klanges Rechenschaft zu geben, an welche Aufgabe wir zunächst gehen wollen.

Auf die Frage, wie groß die kleinste Zahl von Schwingungen sei, welche noch die Empfindung eines Tones hervorrufen könne, sind bisher sehr widersprechende Antworten gegeben worden. Die Angaben der verschiedenen Beobachter schwanken zwischen 8 (Savart) und etwa 30 ganzen Schwingungen für die Sekunde. Der Widerspruch erklärt sich durch gewisse Schwierigkeiten der Versuche.

Erstens nämlich ist es nötig, die Stärke der Luftschwingungen für sehr tiefe Töne außerordentlich viel größer zu machen als für hohe, wenn sie einen ebenso starken Eindruck auf das Ohr machen sollen. Es ist von mehreren Akustikern zuweilen die Voraussetzung ausgesprochen worden, daß unter übrigens gleichen Umständen die Stärke der Töne verschiedener Höhe der lebendigen Kraft der Luftbewegung direkt proportional sei, oder, was auf dasselbe herauskommt, der Größe der zu ihrer Hervorbringung aufgewandten mechanischen Arbeit; aber ein einfacher Versuch mit der Sirene zeigt, daß, wenn die gleiche mechanische Arbeit aufgewendet wird, um tiefe oder hohe Töne unter übrigens gleichen Verhältnissen zu erzeugen, die hohen Töne eine außerordentlich viel stärkere Empfindung hervorrufen als die tiefen. Wenn man nämlich die Sirene durch einen Blasebalg anbläst, so daß ihre Scheibe immer schneller und schneller umläuft, und wenn man dabei darauf achtet, die Bewegung des Blasebalgs ganz gleichmäßig zu unterhalten, so daß sein Hebel gleich oft in der Minute und immer um dieselbe Größe gehoben wird, wobei denn auch der Balg gleichmäßig gefüllt bleibt und immer dieselbe Menge Luft unter gleichem Druck in die Sirene getrieben wird: so hat man anfangs, so lange die Sirene langsam läuft, einen schwachen tiefen Ton, der immer höher und höher wird, dabei aber gleichzeitig an Stärke außerordentlich zunimmt, so daß die höchsten Töne von etwa 880 Schwingungen, die ich auf meiner Doppelsirene hervorbringe, eine kaum ertragbare Stärke haben. Hierbei wird fortdauernd bei Weitem der größte Teil der sich gleichbleibenden mechanischen Arbeit auf die Erzeugung der Schallbewegung verwendet und nur ein kleiner Teil kann durch die Reibung der umlaufenden Scheibe in ihren Achsenlagern und durch die mit ihr in Wirbelbewegung gesetzte Luft verloren gehen. Diese Verluste müssen bei schneller Rotation größer werden als bei langsamer, so daß für die Hervorbringung der hohen Töne sogar weniger Arbeitskraft übrig bleibt, als für die tiefen; und doch erscheinen in der Empfindung die hohen Töne so außerordentlich viel stärker, als die tiefen Töne. Wie weit übrigens diese Steigerung nach der Höhe sieh fortsetzt, kann ich bisher nicht | angeben, weil die Geschwindigkeit meiner Sirene bei demselben Luftdrucke eben nicht weiter gesteigert werden kann.

Die Zunahme der Tonstärke mit der Tonhöhe ist besonders bedeutend in den tiefsten Gegenden der Skala. Daraus folgt denn weiter, daß in zusammengesetzten Klängen von großer Tiefe die Obertöne den Grundton an Stärke übertreffen können, selbst wenn in Klängen derselben Art, aber von größerer Höhe, die Stärke des Grundtons bei Weitem überwiegt. Es ist dies leicht zu erweisen mittels meiner Doppelsirene, da man an dieser mittels der Schwebungen immer leicht feststellen kann, ob ein gehörter Ton der Grundton, der zweite oder dritte Ton des betreffenden Klanges sei. Wenn man nämlich an beiden Windkästen die Reihen von 12 Löchern öffnet und die Kurbel, welche den oberen Kasten bewegt, einmal umdreht, gibt der Grundton, wie oben auseinandergesetzt ist, 4 Schwebungen, der zweite Ton 8, der dritte 12. Läßt man nun die Scheiben langsamer als gewöhnlich umlaufen, zu welchem Zwecke ich an dem Rande der einen Scheibe eine mit Öl benetzte Stahlfeder unter verschiedenem Drucke schleifen lasse, so kann man leicht Reihen von Luftstößen erzeugen, die sehr tiefen Tönen entsprechen, dann die Kurbel drehen, und die Schwebungen zählen. Läßt man die Geschwindigkeit der Scheiben allmählich steigen, so findet man, daß die zuerst entstehenden hörbaren Töne 12 Schwebungen bei einer Umdrehung der Kurbel machen, so lange die Zahl der Luftstöße noch unter 36 bis 40 ist. Bei Tönen zwischen 40 und 80 Luftstößen hört man bei jeder Drehung der Kurbel 8 Schwebungen. Hier ist also die höhere Oktave des Grundtons der stärkste Ton. Erst bei mehr als 80 Luftstößen hört man die vier Schwebungen des Grundtons.

Es wird durch diese Versuche bewiesen, daß Luftbewegungen, deren Form nicht die der pendelartigen Schwingungen ist, deutliche und starke Empfindungen von Tönen hervorrufen können, deren Schwingungszahl 2 oder 3 Mal so groß als die Zahl der Luftstöße ist, ohne daß der Grundton durchgehört wird. Wenn man in der Skala immer tiefer hinabgeht, nimmt die Empfindungsstärke, wie man hieraus schließen muß, so schnell ab, daß der Grundton, dessen lebendige Kraft an und für sich größer ist, als die der Obertöne, wie sich bei höherer Lage desselben Klanges erweist, doch übertönt und verdeckt wird von seinen Obertönen. Auch wenn die Wirkung des Klanges auf das Ohr erheblich verstärkt wird, ändert sich die Sache nicht. Es wurde bei den Versuchen mit der Sirene die oberste Platte des Blasebalgs durch die tiefen Töne in heftige Erschütterung versetzt, und wenn ich den Kopf auflegte, wurde mein ganzer Kopf so kräftig in Mitschwingung versetzt, daß ich die Löcher der rotierenden Sirenenscheiben, welche dem ruhenden Auge verschwinden, wieder einzeln sehen konnte vermöge einer ähnlichen optischen Wirkung, wie sie bei den stroboskopischen Scheiben vorkommt. Die angeblasene Löcherreihe schien fest zu stehen, die anderen Reihen bewegten sich teils vorwärts, teils rückwärts, und doch wurden die tiefsten Töne nicht deutlicher. Ein anderes Mal verband ich meinen Gehörgang durch eine passend eingeführte Röhre mit einer Öffnung, die in das Innere des Blasebalgs führte. Die Erschütterungen des Trommelfells waren so stark, daß sie einen unleidlichen Kitzel verursachten, aber dennoch wurden die tiefsten Töne nicht deutlicher.

Will man also die Grenze der tiefsten Töne ermitteln, so ist es notwendig, nicht nur sehr starke Lufterschütterungen hervorzubringen, sondern ihnen auch die Form der einfachen pendelartigen Schwingungen zu geben. So lange die letztere Bedingung nicht erfüllt ist, ist man durchaus nicht sicher, ob die gehörten tiefen Töne dem Grundton oder den Obertönen der Luftbewegung entsprechen1). Unter den bisher angewendeten Instrumenten sind die weiten gedackten Orgelpfeifen wohl die Zweckmäßigsten. Ihre Obertöne sind wenigstens ziemlich schwach, wenn sie auch nicht ganz fehlen. Hier findet man, daß schon die unteren Töne der 16füßigen Oktave, C1 bis E1, anfangen in ein dröhnendes Geräusch überzugehen, so daß es selbst einem geübten musikalischen Ohre sehr schwer wird, ihre Tonhöhe sicher anzugeben; auch können sie nicht mit Hilfe des Ohres allein gestimmt werden, sondern nur indirekt mittels der Schwebungen, welche sie mit den Tönen der höheren Oktaven geben. Ähnliches bemerkt man auch an denselben tiefsten Tönen des Klaviers und der Physharmonica; sie klingen dröhnend und unrein in der Stimmung, obgleich ihr musikalischer Charakter durch die starken sie begleitenden Obertöne im Ganzen besser festgestellt ist, als der der Pfeifentöne. In der künstlerisch vollendeten Musik des Orchesters ist deshalb auch der tiefste Ton, welcher angewendet wird, das E1 des Contrabasses von 41 Schwingungen; und ich glaube mit Sicherheit voraussagen zu können, daß alle Anstrengungen der neueren Technik, tiefere gut musikalische Töne hervorzubringen, scheitern müssen, nicht weil es an Mitteln fehlte, passende Luftbewegungen zu erregen, sondern weil das menschliche Ohr seine Dienste versagt. Das sechzehnfüßige C1 der Orgel von 33 Schwingungen gibt allerdings noch eine ziemlich kontinuierliche Empfindung von Dröhnen, aber ohne daß man ihm einen bestimmten Wert in der musikalischen Skala zuschreiben könnte. Vielmehr fängt man hier schon an, die einzelnen Luftstöße zu merken, trotz der regelmäßigen Form der Bewegung. In der oberen Hälfte der zweiunddreißigfüßigen Oktave wird die Empfindung der einzelnen Luftstöße immer deutlicher, der kontinuierliche Teil der Empfindung, den man noch mit einer Tonempfindung vergleichen könnte, immer schwächer, und in der tieferen Hälfte der zweiunddreißigfüßigen Oktave hört man wohl eigentlich nichts mehr, als die einzelnen Luftstöße, oder wenn man noch etwas anderes hört, so können es wohl nur schwache Obertöne sein, von denen auch die Klänge der gedackten Pfeifen nicht ganz frei sind.
 
 

1) Namentlich ist Savart's Instrument, wo ein rotierender Stab durch enge Spalten schlägt, ganz ungeeignet, tiefste Töne hörbar zu machen. Die einzelnen Luftstöße sind hier sehr kurz im Vergleich zur ganzen Schwingungsperiode; also müssen auch die Obertöne sehr stark entwickelt sein, und die tiefsten Töne, welche man hört bei 8 bis 16 Schlägen, können nichts als Obertöne sein.

Ich habe noch auf eine andere Weise tiefe einfache Töne zu erzeugen versucht. Saiten, welche in ihrer Mitte ein schwereres Metallstück tragen, geben, wenn sie angeschlagen werden, einen Klang, der aus einer Anzahl zu einander nicht harmonischer Töne besteht. Der Grundton ist durch ein Intervall von mehreren Oktaven von den nächsten Obertönen getrennt, und man kommt deshalb nicht in Gefahr, ihn mit diesen zu verwechseln; außerdem verklingen die höheren Töne sehr schnell, während die tiefen sehr lange anhalten. Eine solche Saite2) wurde auf einem Resonanzkasten ausgespannt, der nur eine Öffnung hatte, und diese konnte durch eine Röhre mit dem Gehörgange verbunden werden, so daß die Luft des Resonanzkastens nur in das Ohr hinein entweichen konnte. Die Töne einer Saite von gewöhnlicher Höhe sind unter diesen Umständen von unerträglicher Stärke. Dagegen rief schon das D1 von 37 Schwingungen nur noch eine sehr schwache Tonempfindung hervor, und auch diese hatte etwas Knarrendes, was darauf schließen läßt, daß das Ohr auch hier anfing, die einzelnen Stöße trotz ihrer regelmäßigen Form einzeln zu empfinden. Bei B2 (34 Schwingungen) war kaum noch etwas zu hören. Es scheint also, daß diejenigen Nervenfasern, welche diese Töne empfinden, schon nicht mehr während der ganzen Dauer einer Schwingung gleichmäßig stark erregt werden, sei es nun, daß die Phasen der stärksten Geschwindigkeit oder die Phasen der stärksten Abweichung der schwingenden Gebilde im Ohre die Erregung bewirken 3).

2) Es war eine dünne messingene Klaviersaite, Die Belastung bestand in einem kupfernen Kreuzerstücke, welches in der Mitte durchbohrt war. Nachdem die Saite durch die Öffnung gesteckt war, wurde das Kupfer mittels einer neben die Öffnung aufgesetzten stählernen Spitze, welche durch Hammerschläge eingetrieben wurde, komprimiert, so daß es die Saite in der Öffnung fest und unverrückbar einschloß.

3) Ich habe seitdem von Herrn Koenig in Paris zwei große Stimmgabeln erhalten, an deren Zinken Gewichte verschiebbar sind. Durch Verschiebung derselben ändert man die Stimmung, die Zahl der dadurch entstehenden Schwingungen ist auf einer Skala angegeben, die an den Zinken entlang läuft. Die eine gibt Töne von 24 bis 35, die andere von 35 bis 61 Schwingungen. Die verschiebbaren Gewichte haben die Form von Platten, 5 Zentimeter im Durchmesser; je eine dieser Platten ist ein Spiegel. Bringt man das Ohr ganz nahe an diese Platten, so hört man die tiefen Töne sehr gut. Bei 30 Schwingungen hört man noch deutlich einen schwachen dröhnenden Ton, bei 28 kaum noch eine Spur, obgleich man leicht Oszillationen von 9 Millimeter Amplitude in dieser Weise ganz dicht vor dem Ohre erzeugen kann. Herr W. Preyer hat auf diese Weise noch Töne von 24 Schwingungen hören können. Derselbe hat noch eine andere Methode gebraucht (Physiologische Abhandlungen I. Reihe, Heft l. Über die Grenzen der Tonwahrnehmung, S. l bis 17), wobei er sehr tiefe belastete Zungen in Zangenpfeifen, die zu diesem Zwecke von Herrn Appun konstruiert waren und allen ganzen Schwingungszahlen von 8 bis zu 40 entsprachen, durch Anblasen in starke Schwingung versetzte und dann nach Unterbrechung des Windstroms das Ausschwingen der Zunge mit dem an ihren Kasten gelegten Ohr beobachtete. Er gibt an, die Töne bis zu 15 Schwingungen abwärts gehört zu haben. Der Beweis, daß die gehörten Töne den Grundtönen der Pfeifen entsprachen, beruht aber nur darauf, daß sie beim stufenweisen Aufsteigen in der Höhe in die besser hörbaren, dagegen sehr kurz abklingenden Töne von 25 bis 32 Schwingungen übergingen. Bei ausgiebigen Schwingungen können aber sehr wohl die Zungen ihrem Befestigungspunkte longitudinale Stöße von doppelter Schwingungszahl gegeben haben, weil sie, an beiden Enden ihrer Amplitude angelangt, wegen ihrer Biegung ihren Befestigungspunkt zurückdrängen, in der Mitte der Schwingung dagegen durch die Zentrifugalkraft ihres Gewichtes ihn nach sich ziehen. Da die Unterscheidung der Tonhöhe bei diesen tiefsten Tönen äußerst unvollkommen ist, fühle ich durch die Aussage des Ohrs allein, wenn nicht durch Schwebungszählungen die Angaben kontrolliert sind, meine Zweifel nicht ganz beruhigt.

Wenn also auch bei etwas kleineren Schwingungszahlen (24 oder 28) Töne gehört werden, so fangen doch erst bei 49. Schwingungen die Töne an, eine bestimmte musikalische Höhe zu bekommen. Der Hypothese über die elastischen Anhangsgebilde der Nerven ordnen sich diese Tatsachen unter, wenn man bedenkt, daß die tiefgestimmtesten Corti'schen Fasern auch von noch tieferen Tönen zum Mitschwingen gebracht werden können, wenn auch in schnell abnehmender Stärke, wobei also wohl noch Tonempfindung, aber keine Unterscheidung der Tonhöhe mehr möglich ist. Wenn die tiefsten Corti'schen Fasern größere Abstände in der Skala haben, gleichzeitig aber auch ihre Dämpfung so stark ist, daß von jedem Tone, der der Höhe einer Faser entspricht, auch die Nachbarfasern noch ziemlich stark affiziert werden, so wird die Unterscheidung der Tonhöhe in solchen Gegenden der Skala unsicher sein, aber doch kontinuierlich ohne Sprünge vor sich gehen, und gleichzeitig wird die Stärke der Empfindung gering werden müssen.

Während nun die einfachen Töne in der oberen Hälfte der sechzehnfüßigen Oktave schon vollkommen kontinuierlich und musikalisch klingen, verschwindet die Wahrnehmung der einzelnen Luftstöße bei Luftschwingungen von abweichender Form, also bei zusammengesetzten Klängen, auch selbst in der Kontraoktave noch nicht vollständig. Wenn man zum Beispiel die Scheibe der Sirene durch Anblasen in Bewegung setzt mit allmählich steigender Geschwindigkeit, so hört man anfangs nur die einzelnen Luftstöße, dann, wenn mehr als 36 Schwingungen da sind, auch schwache Töne daneben, welche zunächst aber Obertöne sind. Bei steigender Geschwindigkeit wird die Empfindung der Töne stärker und stärker, aber man hört noch lange nicht auf, die einzelnen Luftstöße wahrzunehmen, wenn diese auch immer mehr und mehr mit einander verschmelzen. Erst bei 110 oder 120 Schwingungen (A oder B der großen Oktave) wird der Klang ziemlich kontinuierlich. Ganz ähnlich verhält es sich auf dem Harmonium, wo im Hornregister das c von 132 Schwingungen noch etwas Schnarrendes hat, und im Fagottregister sogar das c' von 264 Schwingungen. Überhaupt ist mehr oder weniger deutlich dasselbe zu bemerken bei allen scharfen, schnarrenden oder schmetternden Klängen, welche, wie schon früher erwähnt wurde, immer mit einer sehr großen Zahl deutlicher Obertöne versehen sind.

Der Grund dieser Erscheinung liegt in den Schwebungen, welche durch die in der Skala nahe zusammenliegenden hohen Obertöne dieser Klänge hervorgebracht werden. Wenn in einem Klange der 15te und 16te Oberton noch hörbar sind, so bilden diese beiden mit einander das Intervall eines halben Tones, und geben natürlich auch die scharfen Schwebungen einer solchen Dissonanz. Daß in der Tat die Schwebungen dieser Töne an der Rauhigkeit des ganzen Klanges Schuld sind, kann man leicht beweisen, indem man eine passende Resonanzröhre an das Ohr bringt. Wenn G1 von 491/2 Schwingungen angeschlagen wird, ist der 15te Ton des Klanges fis", der 16te g", der 17te gis" etc. Wenn ich nun die Resonanzröhre g" an das Ohr setze, welche die genannten Töne verstärkt, und zwar am meisten g" selbst, weniger fis" und gis", so tritt die Rauhigkeit des Klanges außerordentlich viel schärfer hervor, und wird ganz ähnlich dem scharfen Knarren, welches die Töne fis" und g" selbst angeschlagen geben. Dieser Versuch gelingt sowohl am Klavier, als mit beiden Registern des Harmonium. Er gelingt auch noch deutlich bei höherer Tonlage, so weit die verstärkenden Resonanzröhren reichen. Ich habe eine solche für g'", durch welche der Ton freilich nur noch wenig verstärkt wird, aber es war beim Ansatz der Röhre an das Ohr doch deutlich zu hören, wie die Rauhigkeit des G von 99 Schwingungen schärfer gemacht wird.

Auch schon der achte und neunte Ton eines Klanges, welche um das Intervall eines ganzen Tones von einander entfernt sind, müssen Schwebungen geben, wenn auch weniger scharf eingeschnittene als die höheren Obertöne. Doch gelingt bei diesen die Verstärkung durch die Resonanzröhren nicht so gut, weil wenigstens die tieferen Röhren nicht im Stande sind, zwei um einen ganzen Ton von einander entfernte Töne gleichzeitig zu verstärken. Bei den höheren Röhren, wo die Verstärkung geringer ist, ist gleichzeitig das Intervall der verstärkten Töne breiter, und so gelang es mir auch, durch die Röhren g" bis g'" Rauhigkeiten der Töne G bis g (99 bis 198 Schwingungen) zu verstärken, welche von deren siebenten, achten und neunten Teiltönen (f", g" und a" bis f"', g'" und a'") herrührten. Und wenn man den Klang des G in der Resonanzröhre mit dem Klange der direkt angeschlagenen Dissonanz f" g" oder g" a" vergleicht, so erkennt man auch, daß beide sehr ähnlich sind, daß namentlich die Schnelligkeit der Intermittenzen nahehin gleich ist.

Es kann hiernach nicht zweifelhaft bleiben, daß Luftbewegungen, welche tiefen und mit vielen Obertönen versehenen Klängen entsprechen, gleichzeitig eine kontinuierliche Empfindung tiefer Töne und diskontinuierliche Empfindungen hoher Töne erregen und durch diese letzteren rauh oder knarrend gemacht werden. Darin liegt die Erklärung der Tatsache, die wir früher bei der Untersuchung der Klangfarben fanden, daß Klänge mit vielen hohen Obertönen scharf, schnarrend oder schmetternd klingen; darin auch der Grund, warum sie viel durchdringender sind, und warum das Ohr sie nicht so leicht überhören kann. Denn ein intermittierender Eindruck erregt unsere Nervenapparate viel stärker, als ein kontinuierlicher, und drängt sich immer von Neuem wieder der Wahrnehmung auf. Einfache Töne dagegen oder Klänge, welche nur wenige von den niederen weit auseinanderliegenden Obertönen enthalten, müssen im Ohre vollkommen kontinuierliche Empfindungen hervorbringen, welche einen weichen, sanften und wenig energischen Eindruck machen, selbst wenn sie in der Tat verhältnismäßig große Stärke haben.

Wir haben bisher die äußerste Zahl der bei hohen Noten wahrnehmbaren Intermittenzen des Tones nicht bestimmen können und nur darauf aufmerksam gemacht, daß sie unter übrigens gleichen Bedingungen desto schwerer wahrnehmbar sind und einen desto schwächeren Eindruck machen, je zahlreicher sie werden. Wenn also auch die Form der Luftbewegung, d. h. die Klangfarbe dieselbe bleibt, während die Höhe gesteigert wird, so wird im Allgemeinen die Klangfarbe weniger rauh werden. Eine besonders wichtige Rolle muß hierbei namentlich die Gegend der Skala um das fis"" herum spielen, für welche das Ohr, wie oben bemerkt wurde, ganz besonders empfindlich ist. Dissonante Obertöne, welche in diese Gegend fallen, müssen besonders empfindlich sein. Das fis"" ist der achte Oberton des fis' von 367 Schwingungen, welches den höheren Tönen der Männer, den tieferen der Frauen zugehört, und der 16te Oberton des ungestrichenen fis, in der Mitte der Männerstimmen. Daß man bei angestrengten menschlichen Stimmen die genannten hohen Töne oft mitklingen hört, habe ich schon früher angeführt. Wenn dies bei den tieferen Tönen der Männerstimmen geschieht, so muß es in scharfen Dissonanzen geschehen; und in der Tat hört man, wie ich schon früher bemerkt habe, bei schmetterndem Forte einer kräftigen Baßstimme die hohen Nebentöne der viergestrichenen Oktave in einem gellenden Zittern begriffen. Daher ist das Knarren und Schmettern bei Baßstimmen auch viel häufiger und stärker als bei höheren Stimmen. Für Klänge, welche über das fis' hinaufgehen, sind die Dissonanzen der Nebentöne, welche in die viergestrichene Oktave fallen, schwächer als die Dissonanzen eines ganzen Tones, und diese in so großer Höhe wohl kaum noch so scharf, daß sie sich erheblich bemerklich machen könnten.

Auf diese Weise erklärt sich auch der im Allgemeinen angenehmere Klang der hohen Stimmen und das daraus hervorgehende Drängen aller Sänger und Sängerinnen nach der Höhe. Dazu kommt dann noch, daß in den höheren Tonlagen kleine Verstimmungen eine viel größere Zahl von Schwebungen hervorrufen, als in den tieferen Lagen, wodurch auch das musikalische Gefühl für die Tonhöhe, für die Richtigkeit und Schönheit der musikalischen Intervalle viel sicherer wird als in der Tiefe.

Nach den Beobachtungen von Herrn W. Preyer verschwindet der Unterschied der Klangfarbe zwischen Stimmgabeln und Zungenpfeifen in der Höhe der cv ganz und gar, zweifelsohne aus dem von ihm angegebenen Grunde, weil nämlich die Obertöne dann in die kaum noch hörbare sieben- und achtgestrichene Oktave fallen.